Knast für die Freiheit

■ Spaniens Weg zur Banana Republic: Ein Verleger wurde von der Regierung mit Gefängnis bedroht, weil er nicht ins staatliche Digitalfernsehen investiert

„In Spanien herrscht Angst“, faßte Antonio Asensio, Direktor des spanischen Privatsenders Antena 3, kurz und knapp seine Gefühle zusammen, als er auf Catalunya Radio eine unglaubliche Geschichte erzählte: Demnach habe bei ihm am vergangenen Heiligabend das Telefon geklingelt. Am Apparat sei „jemand aus der Moncloa“ gewesen – dem Regierungspalast des konservativen Regierungspräsidenten José Maria Aznar. Unmißverständlich habe ihm die Person gedroht, ihn persönlich und wirtschaftlich zu ruinieren, ja gar hinter Gitter zu bringen, falls er den Pakt zwischen Antena 3 und der Mediengruppe PRISA zur gemeinsamen Verwertung der Fernsehrechte nicht wieder löse. Den Zorn der Regierung hatte Asensio auf sich gezogen, weil er aus dem von Aznar geplanten Digitalfernsehen ausgeschert und zu dem schon existierenden Unternehmen der PRISA gewechselt war.

Obwohl Asensio die Identität des Anrufers nicht preisgeben wollte, deutet alles auf einen Mann hin: Miguel Angel Rodriguez, Regierungssprecher und jahrelang persönlicher Vertrauter des Regierungspräsidenten. Der hat die Vorwürfe inzwischen dementiert: Weder Erpressung noch Lügen oder Verleumdungen würden die Regierung von ihrem Willen abbringen, „die Interessen der Allgemeinheit, der Pressefreiheit und Chancengleichheit zu verteidigen“. Doch Asensio zeigte nur wenig Lust, sich auch noch beleidigen zu lassen: „Wenn Herr Rodriguez die Meinung der Regierung vertritt und diese glaubt, verleumdet worden zu sein, soll sie doch die Manöver vor die zuständigen Gerichte bringen.“ Dort würden dann die entsprechenden Zeugen auftreten, um die Echtheit der Drohungen zu bestätigen. So steht es in einem Kommuniqué des Vorstands von Antena 3.

Dabei ist der Verleger nur ein Bauernopfer in einem seit Monaten schwelenden Streit. Das eigentliche Ziel der eigenwilligen Regierungskampagne, bei der die Freiheit im Mediensektor mit Drohungen verteidigt wird, ist nicht Antena 3, sondern der Mediengigant PRISA von Jesus de Polanco – an den Asensio im letzten Dezember die kurz zuvor teuer erstandenen Übertragungsrechte für Spaniens erste und zweite Fußballiga verkaufte. Im Tausch erhielt er Anteile am PRISA-Digitalfernsehen Canal Satelite, das den Fußball künftig im „pay per view“-Verfahren (zahlen pro Spiel) anbietet.

Gleichzeitig ist PRISA Herausgeberin der wichtigsten spanischen Tageszeitung El Pais, und genau die wollen die Konservativen in die Knie zwingen. Die älteste Nach- Franco-Zeitung, und als solch glühende Verteidigerin der demokratischen Freiheiten ist Regierungschef Aznar wegen ihres Hangs zu den Sozialisten seit jeher ein Dorn im Auge. Als sich PRISA in das teuerste Abenteuer seiner Geschichte, das Digitalfernsehen, stürzte, sahen die Konservativen ihre Stunde gekommen. Jedes Mittel ist ihnen seitdem recht, um dem Medienunternehmer Polanco zu schaden: von der Nichtgenehmigung des PRISA-Decoders über das Verbot der Kodifizierung von Sportereignissen bis hin zu einer von namhaften Rechtswissenschaftlern belächelten Klage wegen angeblicher Veruntreuung.

Doch trotz dieser Störmanöver ist der PRISA-Ableger Canal Satellite seit mehr als zwei Monaten auf Sendung und zählt bereits 42.000 Abonnenten. Bis zum Jahresende sollen es 150.000 sein – weit mehr als erwartet. Und mit jedem neuen Abonnent macht sich die Regierung noch mehr Sorgen um die „Chancengleichheit“, denn ihr eigenes digitales Fernsehprojekt, angeführt von der spanischen Telefongesellschaft Telefónica, dem Staatsfernsehen RTVE und dem mexikanischen Privatsender Televisa, mußte seinen Sendebeginn mehrmals verschieben. Nun soll es im September soweit sein. Reiner Wandler