Fernseher geklaut

■ Beavis and Butt-Head träumen Amerika: ein Breit-TV mit zwei Fernbedienungen, und überall sind nackte Hühner

Wer abends um halb 12 MTV schaut, kennt die beiden: zwei ziemlich debile Typen mit riesigen Eierköpfen, spiddeligen Körpern und kurzen Beinen. Ihre Hände hat Gott geschaffen, damit sie im richtigen Moment auf die Fernbedienung drücken, wenn wieder mal ein Videoclip ohne Chicks oder durchgeknallte Rockheinis läuft, die sie laut grunzend cool finden. Streit gibt's, wenn einer das Qualitätsurteil „this sucks“ abgibt, der andere bei „cool“ bleibt. Sie sind Experten, sie kennen die schlimmsten Hardrockvideos, die sexistischsten Schweinerocker, sie sind die Videozensurinstanz.

Mit den beiden Videos zu sehen ist manchmal so, als säße man mit obskuren Stasitypen bei der Filmbewertungsstelle und beurteile bekifft, aber todernst, guten und weniger guten Schund. Der eine trägt ein Metallica-T-Shirt, der andere eins von AC/DC. Man könnte sie als Verkörperung der ewigen Adoleszenz sehen: Beavis und Butt- Head, Vollidiot und Arschgesicht, so in etwa.

Erstmals in Aktion traten Beavis and Butt-Head 1991 in dem Cartoon „Frog Baseball“ von Mike Judge. Seit 1993 nervten B&B zunächst bei MTV-America, inzwischen weltweit. Durch ihr blödes, viel zu lautes Lachen wurden sie zum Kult- oder Haßobjekt. Ihr Hippielehrer mit dem Peace- Zeichen-Strickpulli hat ihr Lachen einmal als Gedicht an die Tafel geschrieben: Huh huh huh, hahahaha, huhuhuhu. Kurz: nicht jedermanns Sache.

Bei MTV dürfen B&B immer nur Kurzgeschichten erleben, unterbrochen von reichlich Werbung. Jetzt aber verlassen sie ihre Glotze und ziehen hinaus ins weite Amerika. Als sie versuchen, das Schul-TV auf Rädern zu stehlen, treffen sie noch einmal ihren Lehrer: „Es könnte toll für euch sein, zu entdecken, wie die Welt ohne Fernseher aussieht.“ Kommentar: „What a dog.“ So versäumen B&B leider sein Lied „Flieg, lesbische Seemöwe, flieg!“.

Dafür treten sie eine Odyssee durch die USA an. Judge hat seine durchaus kulturkritischen Botschaften in kleinen Details verpackt: der Reisebus, ehemals Vehikel der Er-Fahrung des American Dream, heißt nun „Dream America“. Gar nicht gut zu sprechen scheint Judge auf die Bundespolizei ATF zu sein. Diese durchaus real existierende Truppe, nicht ganz so bekannt wie CIA oder FBI, ist zuständig für den Mißbrauch von Alkohol, Tabak und Feuerwaffen (ATF).

Die kampfanzug- und waffenbewährten ATF-Bullen (Beavis: „Die stehen auf Bier, Zigaretten und Knarren!“) verfolgen unsere Teenies quer durchs Land. Mit Vorliebe führen die Beamten „Körperhüllenkontrollen“ durch. Als der Hippie die lesbische Seemöwe besingt, stürmen die Bullen das Klassenzimmer und zertrümmern seine Gitarre. Als der dicke Wohnmobilbesitzer, dessen TV Butt-Head mit einer Sprühladung Cola außer Betrieb setzt, dem ATF-Chef verrät, wo er die beiden Kerle gesehen hat, wird sein Mobilheim durchsucht und zerlegt. Solche Gesetzesverstöße durch die Polizei sind in deutschen Comics eher selten (sogar die Bulletten von Seyfried fallen gegen Judges Horrorcops ab). Das Kleine Arschloch in Gorleben, gejagt vom BGS, muß erst noch gezeichnet und filmgefördert werden.

Mike Judge und seine Zeichner haben den Sprung zum Langfilm erstaunlich elegant gemeistert. „Beavis And Butt-Head Do America“ ist ein spannendes Roadmovie, keine zumsammengekleisterte Reihung alter Ideen und Kurzepisoden. Unsere Lieblingsgeschichten werden liebevoll ausgebaut: Beavis' grandioser Schulauftritt mit dem hochgezogenen T-Shirt vorm Gesicht wird zum Amoklauf durchs Weiße Haus. Comic-Präsident Clinton ist entsetzt. Beavis hat gläserweise Koffeintabletten eingeworfen und hält sich in einer krassen Form der Identitätskrise für Coohulio, den Inkakönig. „I am Coohulio, and I want TV for my bongo“, oder so ähnlich.

Ich kann mich darüber fast totlachen, andere Menschen mögen das nicht: Bei einer Preview ohne Filmtitelangabe verließ rund die Hälfte der Zuschauer den Saal, als sie merkten, daß sie in einem B&B-Film sitzen.

Den Witz bezieht der Film vor allem aus Sprachspielen. B&B sind durchs Fernsehen dermaßen verblödet und hormonell unter Druck, daß sie die Dinge öfter durcheinanderbringen: Do my wife (legt meine Frau um) verstehen sie genauso falsch wie die slotmachines in Las Vegas. Das ganze Drama unserer Helden wird offenbar, als sie kapieren, daß sie mit ihrer Dämlichkeit nie an Frauen rankommen werden. In einer dramatischen Rede an die Nation in Form eines vollbesetzten Rentnerbusses wird ihnen klar, daß sie niemals Sex haben werden: „We will never score“ (gemeint ist wohl screw...). Denn würden B&B erwachsen, wären sie wohl wirklich nicht mehr zu ertragen.

Nicht sehr lustig ist es, sich die synchronisierte deutsche Fassung anzuschauen, wenn B&B „das ist cool“ lispeln. Schon der deutsche Verleihtitel hat ein entscheidendes Wort zuviel: „in“. Andreas Becker

„Beavis & Butt-Head machen's in Amerika“. Von Mike Judge