Mobutu angeblich vor Rücktritt

■ Spekulationen begleiten den Beginn des Zaire-Gipfels zwischen dem geschlagenen Staatschef und dem siegreichen Rebellenführer. Das Leben in Kinshasa ist erstarrt

Berlin/Kinshasa (taz) – Nur der Zeitpunkt ist noch unklar. Aber daß Zaires Präsident Mobutu zurücktreten wird, schien vielen Beobachtern von Südafrika bis Frankreich gestern vor Beginn seines Gipfeltreffens mit Rebellenführer Laurent Kabila sicher. In der Hauptstadt Kinshasa behauptete ein Diplomat, Mobutu habe seinen Rücktrittsbrief schon in der Tasche gehabt, als er gestern mittag in die kongolesische Hafenstadt Pointe-Noire reiste.

In Pointe-Noire traf Mobutu am Nachmittag Südafrikas Präsident Nelson Mandela und UNO-Vermittler Mohamed Sahnoun und wartet mit ihnen seitdem auf AFDL-Rebellenchef Kabila, damit dann auf dem im Hafen dümpelnden südafrikanischen Schiff „Outeniqua“ die Gespräche beginnen können. Eigentlich sollte es schon mittags losgehen, aber Kabila zog es vor, auf dem Weg aus Lubumbashi in Südzaire zunächst den Präsidenten von Angola, Eduardo dos Santos, zu treffen. Südafrikas Verteidigungsminister Joe Modise flog gestern nachmittag in die angolanische Hauptstadt Luanda, um Kabila abzuholen.

Die Spekulationen über einen Rücktritt Mobutus gehen alle in dieselbe Richtung: Mobutu – der seine Familie nach Point-Noire mitgenommen hat – sei dabei, seinen Gang ins Exil vorzubereiten. Er werde bei dem Gipfel anbieten, die Macht an den designierten Parlamentspräsidenten Erzbischof Laurent Monsengwo zu übertragen. Der könne dann eine gemeinsame Regierung mit Kabila bilden und innerhalb eines Jahres Wahlen organisieren. Wahlen innerhalb eines Jahres hat auch Laurent Kabilas AFDL bereits zugesagt, so daß eigentlich nur noch die personelle Frage strittig ist. Kabila beharrt kraft seines Triumphzuges quer durch Zaire auf einer Machtübergabe direkt an ihn. Mobutu will den Gesichtsverlust vermeiden, der mit einer direkten Übergabe seines Amtes an seinen Bezwinger verbunden wäre, und zieht daher die Geste einer Staffelabgabe an den niederrangigen Monsengwo vor. Monsengwo selber hat das Amt des Parlamentspräsidenten allerdings noch nicht angenommen. Wenn er das weiterhin nicht tut, könnte Mobutu sein Angebot trotzdem auf den Tisch legen und dann die Tatsachen für sich sprechen lassen, so daß Kabila sowieso als Sieger endet.

Der AFDL-Rundfunksender La Voix du Peuple erklärte gestern, Kinshasa werde gestürmt, wenn der Gipfel scheitere. Angst vor einem Sturmangriff der Rebellen schüren derzeit wieder einmal französische Regierungsstellen, die unter Berufung auf Missionare Gerüchte verbreiten, wonach AFDL-Soldaten in der soeben eroberten Stadt Mbandaka an der Grenze zu Kongo ruandische Flüchtlinge totschlügen. Von unabhängiger Seite wird das nicht bestätigt, und zuvor war die Präsenz ruandischer Hutu-Milizen in dem Gebiet gemeldet worden.

Die von den Rebellen selbst gestreuten Gerüchte, sie stünden schon in Kinshasa, stimmen nur, wenn man unter Kinshasa nicht die Stadt im engeren Sinne versteht, sondern die gleichnamige Provinz um die Hauptstadt herum, in die AFDL-Kämpfer zweifellos bereits vorgestoßen sind. Trotzdem herrscht in der Hauptstadt Anspannung. Das öffentliche Leben ist erstarrt: Nachts, von 20 Uhr bis 6 Uhr, herrscht eine von der Regierung ausgerufene Ausgangssperre, während der Soldaten ohne Warnung das Feuer eröffnen dürfen. Tagsüber herrscht die von den Rebellen verkündete „Operation Geisterstadt“, während der die Bevölkerung zu Hause bleibt. Beide Aufrufe werden strikt befolgt. Gestern hatten nur Apotheken, Bäckereien und die lebenswichtige Satellitentelefongesellschaft Telecel geöffnet. Selbst der Fährverkehr über den Kongo-Fluß nach Brazzaville war eingestellt. Für Nervosität hatte am Vorabend eine ungeklärte Explosion auf einem Fährschiff gesorgt, bei der vier Menschen starben. Dominic Johnson/Andrea König