Therapeuten auf Demo – Praxen blieben dicht

■ 3.000 Seelenheiler forderten in Bonn neues Gesetz. Die Zuzahlung kommt

Berlin (taz) – Hunderte von Psychotherapeutenpraxen im ganzen Bundesgebiet blieben gestern geschlossen. Rund 3.000 Seelenhelfer kamen mit Sonderbussen und Zügen nach Bonn, um für ein Psychotherapeutengesetz zu demonstrieren. Die Psychologen fordern von Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) ein Gesetz, das nichtärztlichen Therapeuten erlaubt, gleichberechtigt mit Ärzten ihre Seelentherapien bei den Kassen abrechnen zu dürfen.

Seehofer kündigte gestern an, demnächst die Entwürfe für zwei getrennte Gesetze zur Psychotherapie vorzulegen. Im ersten Gesetz soll der berufsrechtliche Teil geregelt werden. Der zweite Teil soll die Zuzahlungsregelungen enthalten. Demnach müssen Patienten künftig bei ihren Psychotherapien einen Eigenanteil tragen, im Gespräch sind Prozentanteile bis zu 25 Prozent, das wären rund 25 Mark die Stunde. Eine getrennt eingebrachte Zuzahlungsregelung wäre nicht zustimmungspflichtig durch den SPD-dominierten Bundesrat.

In den Psychotherapeutenverbänden herrscht allerdings noch Unmut über den berufsrechtlichen Teil des Gesetzes. Seehofer will sowohl weitergebildete Ärzte als auch therapeutisch ausgebildete Psychologen für die kassenbezahlten Therapien zulassen. Nach den bisherigen Vorschlägen würden dabei jene Ärzte und Psychologen bevorzugt, die jetzt schon von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) anerkannt seien. „Ein Großteil der bisherigen Behandler“ würde damit ausgeschlossen, bemängelt der Psychologenverband DPTV.

Die von der KBV anerkannten Psychotherapeuten sind Ärzte oder Diplom-Psychologen, die ihre therapeutische Ausbildung in psychoanalytischen Verfahren oder Verhaltenstherapien an bestimmten Instituten genossen haben. Gestalt- oder Gesprächstherapeuten gehören nicht dazu. Letztere Gruppe konnte bisher jedoch über das sogenannte Kostenerstattungsverfahren mit den Kassen abrechnen, wenn nachgewiesen wurde, daß kein von der KBV anerkannter Behandler zur Verfügung stand. Dieses Kostenerstattungsverfahren wurde durch ein Gerichtsurteil vom vergangenen Herbst erschwert. Will ein Patient jetzt beispielsweise eine Gesprächstherapie beginnen, muß er „einen regelrechten Hürdenlauf bei Ärzten und Krankenkassen absolvieren“, berichtet Volker Schmid vom DPTV.

Deswegen fordern alle Berufsverbände ein Psychotherapeutengesetz. Die Gestalt- und Gesprächstherapeuten hoffen, daß sie in naher Zukunft auch als anerkannte Therapien eine Kassenzulassung bekommen können. Nach Zahlen des DPTV wird etwa die Hälfte der psychotherapeutischen Versorgung bisher von Therapeuten geleistet, die nicht von der KBV anerkannt sind. Die SPD bemängelte gestern, eine Behandlung von durchschnittlich 75 Stunden koste den Patienten bei 25 Prozent Selbstbeteiligung rund 2.000 Mark. BD