■ Urdrüs wahre Kolumne
: Puparsch-Collection im Theatro

Nachdem mir diese deine unsere taz jetzt gleich mehrere Tage hintereinander nicht zuging, wollte ich schon eine deftige Beschwerde an den Vertrieb formulieren. Am frühen Morgen des Donnerstag aber entdeckte ich die Ursache des Phänomens: Als Spätheimkehrer von der grandios-flüssigen Eröffnungsfeier des fürstlichen Biergartens im Schloßpark zu Bückeburg sehe ich an meiner Haustür eine junge Dame, die sich am Einwurfschlitz des Briefkastens zu schaffen macht.

Zur Rede gestellt, bekennt sie schließlich, als ehemalige Bremerin großes Interesse an den derzeitigen Vorgängen um den Knast in Oslebs und den politischen Folgerungen zu haben. Sie selber aber habe die taz mit ihrer WG in Findorff damals abbestellt wegen der ständigen Anpisserei von Selbsthilfegruppen. Heissa! Hossa! Genauso habe ich mir diese mutmaßlichen GEW-Mitglieder immer vorgestellt: Schamlose Kündigungserpresser, die ihre kriminellen Neigungen gegen den kleinen Mann richten, statt den Kampf gegen das Schweinssülzensystem zu richten.

Sollte diese Dame mir nicht innerhalb von vier Wochen ihre neue Abo-Anmeldung vorlegen, erfolgt öffentliche Anprangerung mit Namen und Anschrift. Und Vorsicht, Mädel, falls Du auch die heutige Ausgabe klaust: Ab morgen wird meine Zeitung durch freilaufende Rottweiler bewacht, denn gegen solches Diebsgesindel ist mir selbst der Pakt mit dem Teufel recht. Wir haben verstanden?

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Kundenfreundlich und optimistisch erweitert hat die Heißmangel in Gröpelingen ihr Programm: „Ab sofort mit Avon-Depot, Niederlassung der Mosel-Weinkellerei Seul, Klingel-Katalogshop und Brötchen-Service“. Und außerdem gibt es gegen fünf Mark Schutzgebühr die Broschüre „Wie Sie mit Autopolitur-Systemen und 490 Mark Einsatz mit zehn Wochenstunden in drei Monaten 10.000 Mark und mehr verdienen“. Hier erfüllt sie sich, die Forderung des Bundespräsidenten nach dem großen Ruck, der durch die Gesellschaft geht und mit Initiative und Schwung in die Zukunft weist. In den unsterblichen Mao Dze Dong–Ideen hieß das schon in den Jugendjahren des durchschnittlichen Bremer Grünspechts „Lasst hundert Blumen blühen“!

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Dieses neue Theatro im Bremer Theater, mit den roten Sesseln aus der Puparsch-Collection der Mailänder Scala, das Ganze auch noch im großformatigen Foto auf der ersten Lokalseite des Weser-Kurier mit dem souveränen Autoverkäufer-Konterfeier des Gastronomen Barry „Beck–s“Randecker als strahlendem Mittelpunkt vor einem goldenen Spiegel im venezianischen Tuntenbarock: Dies Gesamtensemble war es, das mir bei der Lektüre des großen SPIEGEL-Reports zum Untergang der Titanic einfiel. Und dann noch dieses vielleicht sogar wortwörtliche Zitat des ansonsten doch so soliden Theatermanns Klaus Pierwoß, daß diese Kneipe als „Schnittstelle zwischen Ober- und Unterstadt“fungieren solle. Bei Väterchen Franz! Eine mischpokige Sickerbrühe aus dem bremischen Sozialhügel – so schal, daß sie nicht einmal als Holsten durchgehen kann. Für sowas haben die erzürnten Götter der Meere einst das verderbte Atlantis von der Landkarte gepflückt!

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Die Ausgießung des Heiligen Geistes steht mit dem Pfingstfest vor der Tür. Hoffentlich kriegen wir in diesem Jahr eine gehörige Portion davon ab, wünscht sich

Ulrich „Feuerzunge“

Reineking