Getrübte Mutterfreuden

■ Bremer Ex-Innungsmeister muß schwangerer Angestellten Gehalt nachzahlen

Obwohl mit ihrer Risikoschwangerschaft am Ende alles glatt ging, sind Caroline Bagtatopulos' Mutterfreuden getrübt. Deswegen zog sie vors Bremer Arbeitsgericht – und erhielt dort gestern eine kleine Entschädigung. Der Vergleich, den die Angestellte mit dem Anwalt ihres Arbeitgebers schloß, hätte für sie besser kaum ausgehen können: Der Chef muß ihr insgesamt rund 5.000 Mark nachzahlen. Darin enthalten sind anteiliges Weihnachtsgeld, der gesetzlich festgelegte Arbeitgeberzuschuß zum Mutterschaftsgeld und Gehalt aus dem letzten Jahr.

Der Arbeitgeber von Caroline Bagtatopulos, der langjährige Obermeister der Glaserinnung, Axel Lenderoth, hat mit einem solchen Prozeß-Ausgang gerechnet. Dennoch reagiert er darauf verbittert. „Da muß man sich wirklich überlegen, ob man noch Frauen einstellt“, sagt der Chef von 120 Glaserei-Beschäftigten. Natürlich habe es schon mehrere schwangere Frauen im Betrieb gegeben – ein Prozeß in dieser Sache sei für die Glaserei Lenderoth „seit 1874“bisher allerdings Neuland. Doch jetzt wird er das Gefühl nicht los, als Arbeitgeber – zumal in der angeschlagenen Baubranche – über die Maßen finanziell beansprucht zu werden. Lenderoths Angestellte, deren Arbeitsplatz bis zum Ablauf der Erziehungsjahre freigehalten wird, sieht sich dagegen als schwangere Arbeitnehmerin diskriminiert.

Der Wendepunkt im einst „einwandfreien Verhältnis“zu ihrem Arbeitgeber sei mit ihrer zweiten Schwangerschaft eingetreten, blickt Caroline Bagtatopulos zurück. Das war im letzten Jahr. Da wollte die heute 29jährige nach einem dreijährigen Erziehungsurlaub für das erste Kind gerade ins Büro zurückkehren – doch dann wurde sie wieder schwanger. Kaum hatte sie dem Arbeitgeber, bei dem sie schon gelernt hat, davon berichtet, sei ihr jedoch nahe gelegt worden, die Firma zu verlassen, sagt sie – und daß sie selbst sogar eine Abfindungssumme vorgeschlagen habe. „Das sollte ich.“Allerdings habe die Firma darauf nicht reagiert. Der Chef sagt heute: „Sie wollte viel Geld.“

Während Caroline Bagtatopulos noch auf diese Antwort wartete, stellten sich bei der werdenden Mutter Komplikationen ein. Der Arzt bescheinigte eine Risikoschwangerschaft – und stellte ein „Beschäftigungsverbot“aus. Über die Folgen dieses Attests kam es endgültig zum Streit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerin. „Er zahlte mir danach einfach kein Gehalt mehr“, sagt Caroline Bagtatopulos. Der Arbeitgeber, der dieses monatelange Versäumnis jetzt wettmachen muß, fragt nach wie vor: „Ist es gerecht, wenn ich allein zahlen muß, nur weil ein Arzt so ein Beschäftigungsverbot ausspricht? Hätte er die Frau krank geschrieben, hätte die Krankenkasse gezahlt. Nur bei einem Beschäftigungsverbot für Schwangere tut sie das nicht.“

Aus diesem Empfinden heraus und weil seine Angestellte ihm „gedroht“habe, daß es zu solch einem ärztlichen Attest kommen könnte, falls man sich über die Abfindung nicht einige, schaltete er den Anwalt ein. „Hier werden mittelständische Betriebe doch enorm belastet.“In der Baubranche müsse man derzeit aber das Geld zusammenhalten. Daß das nicht auf Kosten von schwangeren Angestellten geschehen darf, bestätigt jetzt der Vergleich.

Caroline Bagtatopulos fühlt sich dennoch nicht als Gewinnerin auf der ganzen Linie. „Ich hatte ja wirklich keine Ahnung, was man alles bedenken muß, wenn man schwanger wird“, sagt sie. Von Hinz zu Kunz sei sie gelaufen, um beraten zu werden. „Dabei hatte ich mit einem kleinen Kind und der Schwangerschaft genug andere Sachen im Kopf.“Deshalb sei ihr lange Zeit entgangen, daß sie bereits bei der ersten Schwangerschaft den Anspruch auf Weihnachtsgeld verpaßt hatte. „Ich kann Schwangeren nur raten, sich den Tarifvertrag gut durchzulesen“, sagt sie heute. „Niemand sagt einem, daß solche Ansprüche schnell verfallen.“Der – rein männliche Betriebsrat – habe ihr lediglich zum Kind gratuliert.

Wie kompliziert manche Details sind, begriff gestern erst vor Gericht auch der Anwalt des Arbeitgebers. Er lernte, daß Chefs ihren finanziellen Beitrag zum Mutterschutz neuerdings für volle sechs Wochen vor der Geburt leisten müssen. Wenn das Kind früher kommt, wird der Mutterschutz eben hinten verlängert – sein Mandant überweist jetzt auch dafür noch ein paar Mark an die Klägerin. Sie freut sich unterdessen auf das dritte Kind im Oktober. Eva Rhode