Aufstieg der Zaungäste

■ Selbst kollektiv-narzißtische Sabotage hindert Pauli nicht an der Rückkehr in die 1. Liga Von Folke Havekost

Mit bleichen Gesichtern und unverständig-deprimierten Mienen hockten viele Fans nach Spielende am Millerntor, auch wenn Vizepräsident Christian Hinzpeter um 17.02 Uhr jene Worte übers Mikro schickte, die später wohl als historisch gepriesen werden: „Der Schiedsrichter hat mir in der Kabine mitgeteilt, daß das Spiel nicht wieder angepfiffen und mit 5:0 für den FC St. Pauli gewertet wird. Das heißt, wir sind aufgestiegen.“

Was war passiert? Jens Scharping war dabei, zum tragischen Helden zu geraten, weil er in der 85. Minute zum 5:0 ins Netz der Homburger getroffen hatte. Die bis dato stimmungsvolle, aber verhaltene Aufstiegsvorfreude schaukelte sich hoch und trieb rund 4.000 ZuschauerInnen von ihren Stehtraversen die Zäune empor. Nach 89 Minuten begann die Eskalation: Ein vermeintlicher Elfmeterpfiff des Schiedsrichters Brandt-Cholle wurde als Abpfiff aufgefaßt, worauf etliche Fans ihren Halt verloren und auf der Jagd nach ihren Lieblingen über den Rasen des Wilhelm-Koch-Stadions marodierten.

Schiri und Spieler flüchteten in die Katakomben, aus denen die meisten nicht wieder erscheinen sollten. Hilflos versuchten Stadionsprecher Rainer Wulff (“Was sind denn das für Fans? Was soll denn das hier, über den Platz zu laufen?“) und auf den Rängen verbliebene ZuschauerInnen (“Ihr seid doof“, „Haut ab!“), das Chaos zu ordnen. Doch selbst die Drohung Wulffs mit Spielabbruch oder gar Nichtaufstieg fruchtete nicht gegen die Symbiose von Masse und Macht, die den schmalen Grad zwischen korrekter Paadiestimmung und kollektivem Narzißmus demonstrierte.

Nach achtzehnminütigem Hin- und Herlavieren verkündete Hinzpeter schließlich die Botschaft, deren Frohsinn längst abgeklungen war – der Referee hatte sich entschieden, St. Pauli neben der zu erwartenden Geldstrafe nicht auch noch den Zweitliga-Verbleib zuzumuten: Brandt-Cholle erklärte, er habe in der fraglichen Situation nicht etwa auf Strafstoß entschieden, sondern „abgepfiffen und zur Kabine gezeigt“, womit mögliche Proteste des gescheiterten Aufstiegskonkurrenten VfL Wolfsburg chancenlos sein dürften.

Auch wenn dies in der 89. Minute ganz anders aussah und Schiris Worte sich arg bemüht anhörten – sportlich verdient ist der Aufstieg allemal. Savitchev (20.), Driller (32.), Scharping (37.) und Pröpper (56.) trafen vor Scharpings Schlußtor zum 5:0 gegen Absteiger FC Homburg, der den Braun-Weißen eine 88minütige Trainingseinheit „Freies Spielen mit dem Ball“ bescherte.

Schade nur, daß der DFB – nicht gerade unberechtigt – auf den Gedanken kommen könnte, dem FC die Debatte um den Stadionausbau abzunehmen, indem er ihn zu seinen Heimspielen ins geräumige Volksparkstadion verweist. Ob der verfrühte Aufstieg der Zaungäste Konsequenzen haben wird, war bei Redaktionsschluß noch unklar.