Dieses Licht!

■ Der Kunstverein zeigt Erich Hartmanns bewegende Fotografien

Der wuchtige Seziertisch mit der schweren Steinplatte steht in der Mitte des kleinen, gekachelten Raumes. Sonst steht dort nichts. Es gibt nur noch das Licht, das übernatürlich gleißend durch ein Fenster fällt. Nächstes Foto. Der endlos lange Korridor des Lagergefängnisses Dachau – und weit hinten wieder dieses Licht, die Sehnsucht nach der Freiheit, dem Draußen. Manche Fotos scheinen nichts anderes zu sein als dies: ein Schrei nach Licht.

Zwei Monate lang hat der Fotograf Erich Hartmann im Winter 1993/94 die Konzentrations- und Vernichtungslager des „Dritten Reiches“ besucht. Eine persönliche Pflicht wollte er erfüllen, mit den Mitteln seines Berufes den Opfern einen verspäteten Liebesdienst erweisen. Seit gestern sind seine Fotografien unter dem Titel Stumme Zeugen in den Räumen des Kunsthauses ausgestellt, sie legen Zeugnis ab von dem Grauen, das diese menschenentleerten Stätten noch immer ausstrahlen.

Die ersten Bilder scheinen noch fast zu schön. Sie lichten die Lagerumwelt ab, verlassene Bahnhöfe, Wachttürme im Morgendunst. Sehr schnell begreift man jedoch, wie unerreichbar selbst diese karge Außenwelt gewesen ist für die Eingeschlossenen. Zeichen dieser unstillbaren Sehnsucht ist das allgegenwärtige Licht, gleichermaßen höhnisch wie lockend, das die meisten von Hartmanns Fotos beherrscht. Die hieratische Strenge des Aufbaus, die deutlichen Reminiszenzen an klassische Bildlösungen wie Leonardos Abendmahl verstärken noch den fast spirituellen Anspruch überzeitlicher Gültigkeit. Den Abschluß bilden zwei Bilder, die die Brücke zur Gegenwart schlagen: ein Kind, das aus der letzten, nicht mehr in Betrieb genommenen Gaskammer hinaus ins Freie, in eben dieses blendende Licht, tritt; und eine Aufnahme der 1992 in Brand gesteckten Baracken von Sachsenhausen.

Eingeleitet wird die Ausstellung durch das Objekt Unterwegs. Lemniskate 53, eine Installation des Kölner Künstlers Gunter Demnig. Hinter diesem Titel verbirgt sich ein Modell der letzten im Zweiten Weltkrieg von der Reichsbahn konstruierten Kriegslokomotive BR 53, das in ungefähr zwei Metern Höhe auf einer liegenden Acht, einer Lemniskate, herumfährt. Diese Maschine, die seinerzeit nicht mehr in Serie gebaut wurde, hätte es der SS ermöglicht, noch größere Massen von Menschen schneller in die Vernichtungslager zu transportieren. Jörg Königsdorf

Kunsthaus, Klosterwall 15, bis zum 30. Juli; Di-So 11-18, Do 11-21 Uhr. Katalog: 68,– Mark.