■ Rosi Rolands Bremer Geschichten
: Rücktrittsgedanken

Was ist politische Verantwortung, wann muß ein Senator zurücktreten? Daß in der JustizvollzugsanstaltOslebshausen Häftlinge von Beamten verprügelt worden sind, ist für Justizsenator Henning Scherf (SPD) jedenfalls noch lange kein Grund, seinen Hut zu nehmen. Schließlich trägt er nur die „Rahmenverantwortung“, und die politische Verantwortung will er übernehmen, indem er bleibt.

Über diese Frage ist uns jetzt ein internes Protokoll zugegangen. „Ich stehe selbstverständlich zu meiner politischen Verantwortung, und habe deshalb natürlich in den letzten Tagen über Rücktritt nachgedacht“, räumt der Senator ein. „Aber ich bin zu dem Ergebnis gekommen, für mich selbst gegenwärtig, daß das wohl der leichtere Ausweg wäre.“

Das reicht dem ehemaligen Wirtschaftssenator Claus Jäger (FDP) nicht: „Politische Verantwortung heißt, auch dann für einen Sachverhalt Konsequenzen zu ziehen, wenn ich damit absolut nichts zu tun habe außer der Tatsache, daß es in meinem Verantwortungsbereich geschehen ist. Ich möchte Sie ermuntern, einem Beispiel zu folgen, daß in der deutschen Politik nicht häufig, aber doch immerhin vorgekommen ist. Es gab Justizsenatoren in Berlin, Oxfort und Baumann, beide FDP, die zurückgetreten sind, weil Gefangene aus Gefängnissen entwichen sind, ohne daß selbstverständlich ein Senator auch nur einen Schatten damit zu tun hatte.“

Auch Innensenator Ralf H. Borttscheller (CDU) verspricht dem Senator ihm nach seinem Rücktritt nicht die Freundschaft zu kündigen: „Das bedeutet doch nicht, daß wir Ihnen als Mensch persönliche Vorwürfe machen. Wir machen Ihnen politische Vorwürfe. Das Amt des Politikers ist risikoreich. Niemand ist gezwungen, diesen Beruf zu wählen, nur sollten Sie dann, wenn Ihnen das politische Geschick gehlt oder auch die politische Fortüne, sich nicht scheibchenweise zum Rücktritt quälen lassen, sondern aktiv Courage zeigen und bekannen, daß es hier Fehler gegeben hat, aus denen Konsequenzen zu ziehen sind.“

Selbst der ehemalige Innensenator Friedrich van Nispen meldet sich zu Wort: „Ihre Erklärung, ich übernehme die politische Verantwortung für das Geschehene ist doch eine Leerformel. Denn in der Tat gab es gar nichts zu übernehmen. Der Senator hat sie.“

Bürgerschaftspräsident Reinhard Metz: „Ich will ein Wort zur politischen Verantwortung sagen. Sie haben sie, ob Sie dazu stehen oder nicht, Sie haben sie! Wenn der Fraktionsvorsitzende der SPD sagt, bevor man über Konsequenzen nachdenke, müsse man erst den Bericht der Staatsanwaltschaft abwarten, so halte ich diese Auffassung, mit Verlaub, Herr Kollege, für abwegig. Glaubt hier wirklich jemand, ein Politiker müsse erst zurücktreten, wenn er sich strafbar gemacht hat?“

Das Protokoll, aus dem diese Zitate entnommen sind, liegt übrigens in der Bibliothek der Bremischen Bürgerschaft: 24.8.1988, Debatte um den Innensenator Bernd Meyer (SPD) nach dem „Geiseldrama“. „Ich will selbst mithelfen aufzuklären, und wir müssen versuchen, auch aus diesen Fehlern zu lernen“, versicherte Meyer den Abgeordneten am 7. September 1988 noch einmal. Acht Wochen später trat er zurück. Rosi Roland