■ Zur Einkehr
: Im VEB Ratskeller

Zugereiste kennen das Problem: Da kommt die Verwandtschaft aus dem tiefen Süden, und unsereins will den Leuten natürlich was bieten. Bremen – schön, weltoffen, historisch und all das. Aber was passiert? Erstens pieselt's, zweitens kommt eine Hafenrundfahrt wegen fehlender Schiffe nicht in Frage, und drittens rufen die Stadtmusikanten das immergleiche Erstaunen hervor: „Was? Sind die klein!“Was bleibt da sonst, als die enttäuschte Bagage in den Ratskeller zu schleppen. Ein gutes Viertele trinken und nebenbei über Hauff und Fritze Engels plaudern, die sich im ollen Gewölbe ordentlich die Kante gegeben haben. Das könnte lustig werden, wenn – der Ratskeller nicht so wäre wie er ist. Der ist zwar nett renoviert und wird mittlerweile vom „Maritim“bewirtschaftet – strömt aber immer noch den Charme eines volkseigenen DDR-Betriebs aus. Motto: Der Gast steht im Zentrum, und da steht er im Weg.

Reden wir vom Service. Klar, man soll nicht alle über einen Kamm scheren, aber wer erstmal an die mürrische Mehrheit unter den Livrierten geraten ist, weiß wovon die Rede ist.

Reden wir vom Trinken. Da kann man nun gar nicht meckern. Wo sonst findet man in der Stadt eine solche Weinkarte? Überall sonst wird Chardonnay, Rioja und Chianti ausgeschenkt, im Ratskeller den guten alten „Forster Schnepfenpflug“. Lecker! Recht so!

Reden wir vom Essen? Ungern, eigentlich. Da müßten wir nämlich lang und schlapp von Hochpreisigem aber Minderqualitativem reden. Das wäre noch zu verschmerzen, wären wenigstens die niedrigpreisigen Speisen auf halbwegs mittlerem Geschmacksniveau. Sind sie aber nicht. Da wird beispielsweise unter den warmen Kleinigkeiten ein lecker belegtes Baguette mit knackiger Salatbeilage angeboten. Traurig gucken wir auf den Teller und müssen feststellen, daß der Happen auf dem Weg von der Küche zum Tisch von den Lebenden gegangen sein muß. Vielleicht aber auch schon eher. Das Baguette kommt wärmemäßig über Körpertemperatur nicht hinaus, und irgendein mordlustiger Küchenbulle hat so viel Mayo-Pamps auf die Salatbeilage geschaufelt, bis auch noch das letzte Blatt garantiert tot war. Cuisine de Brême: Hauptsache, es stopft.

Jeder lärmende und verqualmte Frankfurter Äbbelwoi-Keller hat mehr Atmosphäre zu bieten. Und wenn es denn schon gehobenere Gastronomie sein soll – na, sagen wir's mal mit einem Verdikt aus der pfälzer Heimat: Wer mit den großen Hunden pissen gehn will, muß schon das Bein hochkriegen. Jochen Grabler