■ Normalzeit
: Brücken ins ökonomische Nichts

Das Batteriewerk Belfa ist wieder da, wo es vor dem Hungerstreik war: Die BvS gibt kein Geld, Senat und Banken nur einen (nicht abrufbaren) Kredit. Jetzt ist die Belegschaft auf „Struktur-KuG“, auch „KuG- Null“ genannt. „Viele Betriebsräte wissen noch gar nicht, daß es so etwas gibt“, meint der Geschäftsführer der Beschäftigungsgesellschaft „Brücke“, Jan Franke. Im Westen kannte man bis zur Wende nur das konjunkturelle Kurzarbeiter-Geld (Kon- KuG). Die (erst zwei- und jetzt einjährige) strukturelle Kurzarbeit (mit null Stunden) kam mit der Treuhand und zuerst im Osten auf. „Es geht dabei darum, bei dauerhaftem Wegfall von Arbeitsplätzen die Arbeitslosigkeit 12 Monate hinauszuschieben.“

Das neue Gemeinschaftsunternehmen Thyssen-Krupp-Stahl versucht gerade beim Kanzler für 6.600 Mitarbeiter ein zweijähriges Struktur-KuG loszueisen. Weil die Abfindungen von Entlassenen neuerdings versteuert und zudem mit dem Arbeitslosengeld verrechnet werden müssen , drängen Betriebsräte zunehmend ihre Firmenleitungen zur Gründung von Beschäftigungsgesellschaften. Wenn sie dort ein Jahr auf der Gehaltsliste standen, bleibt die restliche „Abfindung anrechnungsfrei“ (so das manager-magazin).

Das Geld dafür, einschließlich des Arbeitgeberanteils für das Struktur-KuG-Null, kann aus dem Sozialplan genommen werden. Das Arbeitsamt zahlt 60 Prozent, die Firma rund 30 Prozent (für Urlaubsgeld sowie die Lohnnebenkosten). Der KuG-Null- Arbeitslose bekommt 60 Prozent seines letzten Nettolohns, was in etwa dem Arbeitslosengeld entspricht, dafür jedoch zusätzlich an Urlaubs- und Feiertagen 100 Prozent. Zur Verwaltung des KuG bewerben sich auch schon bestehende (fremde) Beschäftigungsgesellschaften bei den Firmen und Institutionen, die Massenentlassungen, Outplacement oder Konkurs planen. Die „Brücke“ gewann gerade die Otis-Ost-Belegschaft. Dort bewarb sich auch die übel beleumundete ABS „MyPegasus“ des IG-Metall- und Treuhand-Beraters Jörg Stein, der zuletzt beim Vulkan und bei Grundig aktiv wurde. Derzeit verhandelt die „Brücke“ mit der BVG, zuvor hatte sie bereits die AEG-TRO-Ostbelegschaft übernommen, für die sie nun Qualifizierungskurse und „Sozialkontakte“ anbietet: „Dafür haben wir Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds akquiriert“, erklärte Jan Franke. Brüssel ist neben den Arbeitsämtern, den Kommunen und den Ländern inzwischen ein eigener Fördermittel-Dschungel, was für die Beschäftigungsgesellschaften bedeutet, sich neues Know-how anzueignen. Der letzte TRO-Betriebsratsvorsitzende, Ingenieur Wolfgang Boerger, ist mit seinem Brücke-Betriebswirtschaftskurs, finanziert aus seinem TRO-KuG-Topf, zufrieden, er will sich danach mit Freunden selbständig machen.

„Der Betriebsrat muß jeweils zwischen den Interessen der Jüngeren, die ihre volle Abfindung haben wollen, und den Interessen der Älteren, die nicht mehr so leicht zu vermitteln sind, abwägen“, so Franke. Bei Otis Pankow bekommen 62 ältere Mitarbeiter KuG-Null (über Paragraph 63, Absatz 4 des alten wie neuen AFG), bei TRO sind es 163, bei der Bekum-Maschinenfabrik 44 und bei der Faga-Fahrzeugausrüstung 38 – um nur die letzten Brücke-Übernahmen zu erwähnen.

Wenn man dazu noch die ebenfalls über Sozialbetriebe laufenden Maßnahmen des Arbeitsamts – u.a. ABM und 249h – zählt, dann ist Stern-Reporter Walter Wüllenweber zuzustimmen: In Ostdeutschland „sind die Arbeitsämter inzwischen zur eigentlichen Regierung geworden, und die Beschäftigungsgesellschaften sind ihre Zweigstellen“. Dem will man in Bonn mit dem „Arbeitsförderungs-Reformgesetz (AFRG) gegensteuern. „Aber damit wird alles nur noch schlimmer“, wie Arbeitssenatorin Christine Bergmann meint. Helmut Höge

wird fortgesetzt