: Agrar-Renaissance in Güterfelde
Die „Lehr- und Versuchsanstalt für Integrierten Pflanzenbau“ bei Potsdam ist eine Schrittmacherin in Sachen Hanfforschung. Die 45 Mitarbeiter entwickeln moderne Anbaumethoden ■ Von Klaus Bruske
Ende April hat Karen Krüger nun endlich ihre „Schützlinge“ in die märkische Erde gebracht. Reichlich spät. Das Frühjahr war bis dahin zu kalt. Cannabis sativa sei sehr empfindlich, sagt die Agrarwissenschaftlerin der „Lehr- und Versuchsanstalt für Integrierten Pflanzenbau“ (LVAP) in Güterfelde bei Potsdam. „Solange die Schößlinge aus der Familie der Maulbeergewächse nicht 20 Zentimeter hoch sind, sind sie bei Minustemperaturen gefährdet.“
Am Anfang stand eine Idee. „Irgendwann im Sommer 1994 war's“, erinnert sich Bernd Honermeier, LVAP-Direktor und Abteilungsleiter Acker- und Pflanzenbau, „als wir uns erstmals Gedanken machten, wie wir eine alte Tradition neu beleben könnten.“ Der vielfältig nutzbare Faserhanf hat in Brandenburg Geschichte. Vor allem im Rhin- und im Havelluch konzentrierten sich einst die Cannabis-sativa-Kulturen. Bis der Anbau Anfang der 80er Jahre der Konkurrenz der Kunstfaser, der relativ billigen sowjetischen Baumwollimporte sowie der auch in der späten DDR grassierenden Angst vor dem Überschwappen „westlich-dekadenten“ Haschisch/Marihuana-Konsums zum Opfer fiel.
Seit der LVAP-Gründung im Januar 1992 zum Güterfelder Team gehörend, widmete sich Krüger zunächst der Forschung zu Flachs und solchen alten Färberpflanzen wie Reseda oder Krapp, bevor vor knapp drei Jahren der Hanf sich den Löwenanteil ihrer Arbeitszeit eroberte. „Wir sind damals die Schrittmacher in Ostdeutschland gewesen“, sagt sie, „und marschieren nun auch im westdeutschen sowie internationalen Vergleich mit an der Spitze.“ Bis dahin war es ein weiter Weg.
Am Anfang stand der Auftrag von Brandenburgs Landesregierung, die den eingetragenen Verein zu 95 Prozent finanziert: „Entwicklung von umweltgerechten und ökonomisch effizienten Anbauverfahren im Pflanzenbau“. Das aber hieß für die 45 Mitarbeiter der Versuchsanstalt, sich neben der Weiterentwicklung von Getreidesorten, des Ölfrucht- und Obstanbaus, sich vor allem mit dem Zukunftsprojekt nachwachsende Rohstoffe zu beschäftigen.
Eine Sondergenehmigung für bescheidene 200 Quadratmeter rang man zunächst im Frühjahr 1995 der in Berlin-Tiergarten ansässigen „Bundesopiumstelle“ ab. Die Güterfelder Agrarwissenschaftlerin säte auf diesem kleinen Eckchen der insgesamt 67 Hektar großen Feldflur des LVAP zwölf verschiedene Hanfsorten aus, prüfte solch wichtige agrarökonomische Kriterien wie Aussaattermin, Düngerbedarf, Schädlingsbefall oder Erntezeitpunkt und Ertrag, ... und Anfang November 1995 war der wissenschaftliche Wiedereinstieg in die märkische Cannabis-Renaissance gelungen. Damals legten die Güterfelder ihre Studie „Hanf in Brandenburg – Anbau und Verwertung aus landwirtschaftlicher und ökologischer Sicht“ vor. Sie überzeugten mit ihr ihren Hauptgeldgeber, Brandenburgs Agrarminister Edwin Zimmermann (SPD), sich bei der EU- Agrarkommission um Fördermittel für ein bei der LVAP angesiedeltes „Modellprojekt Hanfernte und Erstverarbeitung in Brandenburg“ einzusetzen. Dazu ermutigte die Kernaussage der Broschüre: „Aus pflanzenbaulicher Sicht ist eine Anbaueignung von Faserhanf in Brandenburg auf Standorten mit ausreichender Sorptionsfähigkeit und Nährstoffreichtum sowie Wasserführung des Bodens gegeben.“ Das heiße, erläutert Karen Krüger, nur bessere Böden kämen in Frage. All diese Bedingungen erfüllten heute etwa die Ackerflächen des Oderbruchs, des Havellands, zum Teil der Prignitz sowie die nördliche Uckermark. Das traditionelle Anbaugebiet Rhinluch entfalle dagegen weitgehend, da Brandenburg aus Umweltschutzgründen die dort nun vorherrschende Feldgrasweidewirtschaft nicht zurückdrängen wolle.
Mit insgesamt rund 360.000 Mark war das für die Vegetationsperiode 1996 aufgelegte Modellprojekt, in das noch das Institut für Agrartechnik Bornim, die landwirtschaftlich-gärtnerische Fakultät der Berliner Humboldt-Universität sowie das Umweltforschungsinstitut Schlieben bei Herzberg eingebunden waren, dotiert. Rund vier Fünftel davon stammten aus EU- und Landestöpfen. Den Rest trugen die fünf beteiligten Agrarbetriebe: die LVAP selbst, die Agrargenossenschaft „Uckerland“ in Gerswalde, der Privatbauer Alard von Arnim auf Groß Fredenwalde, die Agrargenossenschaft Ütz-Bornim bei Potsdam sowie der Förderverein Gut Breslack bei Guben. Sie kultivierten – das Faserhanf-Anbauverbot war bundesweit indessen gefallen – auf 28 Hektar (brandenburgweit 97 Hektar) Faserhanf, davon allein sechs Hektar wiederum vor der Güterfelder Haustür.
Die Ergebnisse, dargestellt in einer fast 1.000seitigen LVAP-Studie, bestätigten den 95er Start. Die unter märkischen Verhältnissen erzielten Erträge lagen, was Biomasse und Fasergehalt anbelangt, gut im internationalen Durchschnitt. Doch die Grundlagenforschung – wenn auch 1997 wieder im bescheidenen Rahmen eines halben Hektars – geht weiter.
Knackpunkt der ganzen Sache bleibt die Weiterverarbeitung und Ökonomie des modernen Hanfanbaus, der mit billiger Konkurrenz aus Ost- und Südosteuropa zu kämpfen hat. Zudem lagert noch ein Großteil der 96er Ernte beim Hanfbauern in der Scheuer. Denn derzeit läuft noch die Testphase für eine mechanische Flachs/Hanfaufbereitungsanlage in einem alten Trockenwerk in Pritzwalk. Erst 1998 will eine bayerische Firma eine weitere Anlage in Prenzlau errichten. Doch Karen Krüger ist optimistisch: „Cannabis sativa gibt uns noch auf Jahre hin Brot.“
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