Geschichtsfälschung von links

■ PDS-Arbeitsgruppe greift Konzeption der Gedenkstätte im ehemaligen Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen an: Folter-Knast war eine "gewöhnliche U-Haftanstalt" für Kriminelle

Die Zellen. Eine Kniezelle mit Holzpritsche, Fußfessel, Handfessel und Tropfkasten. Eine andere nur aus schwarzem Gummi, ohne Fenster, rund. Die Freigangzelle am Haftkrankenhaus ist ein düsteres Viereck aus kalten, meterhohen Mauern, gesichert mit Stacheldraht und mit einem Gitter abgedeckt. Der Boden ist aus Stein; der Eingang gerade so groß, daß ein Mensch hindurchpaßt.

Bärbel Grygier, die Bürgermeisterin, die drei Frauen von der PDS, und Gabriele Camphausen, die Leiterin der Gedenkstätte Hohenschönhausen, sind stehengeblieben. Sie schauen hoch in den Tag, eigentlich scheint die Sonne, aber hier, in der Freigangzelle, ist davon nichts zu merken.

Die Gedenkstätte Hohenschönhausen. Von 1945 bis 1946 ein Internierungslager, errichtet von der sowjetischen Besatzungsmacht. Von 1947 bis 1951 das zentrale sowjetische Untersuchungsgefängnis in der Sowjetischen Besatzungszone. Dann, bis 1989, die Untersuchungshaftanstalt des MfS, was erst mit der Wende bekannt wurde. Die U-Haftanstalt hatte keine Adresse. Die Häftlinge wußten nicht, wo sie waren; die Hohenschönhausener selbst hatten keine Ahnung, was in der Genseler Straße vor sich ging. Sie hatten vielleicht nur einen Verdacht.

Wie viele Häftlinge einsaßen? Vielleicht 12.000. Keiner weiß es so genau. Die Akten sind 1989 vorsorglich vernichtet worden. Nach Hohenschönhausen kam man aus politischen Gründen. Republikflucht beispielsweise. Aber auch: Ein Bäcker, der beim Brötchenklauen erwischt worden war und daraufhin der Wirtschaftssabotage bezichtigt wurde. Sicher ist auch, daß hier gefoltert und daß Psychopharmaka verabreicht wurden.

Nun liegt ein zwölfseitiges Papier vor. Geschrieben von einer Ad-hoc-Arbeitsgruppe der PDS- Hohenschönhausen. „Extreme Einseitigkeit“ wird darin dem Gedenkstätten-Konzept vorgeworfen. Die Gedenkstätte diene der „Diffamierung der DDR“, der „Verdrängung der repressiven Züge der BRD“. Sie blende den Anlaß der Existenz der Einrichtung aus: „die Liquidierung der Nazistrukturen, die Politik der BRD gegenüber der DDR“. Sie sei einzig und allein da, „die Vorstellung zu suggerieren, in diesen Hafteinrichtungen wären ausschließlich unschuldige Personen ohne rechtliche Basis inhaftiert gewesen“. Dem sei nicht so. Bei den Gründen für eine Haft habe es sich „offenkundig um schwerwiegende Straftatbestände“ gehandelt, „in denen Verurteilungen wegen Spionage, einer Tätigkeit für Westberliner oder westdeutsche Schleuserbanden erfolgten“. Und außerdem, so führen die Verfasser (u. a. ehemalige Mitarbeiter in der U-Haftanstalt) an, auch in der BRD habe es politische Verfolgung (Berufsverbote) und Stammheim gegeben. So bleibe „die normale Situation eines Untersuchungsgefängnisses, wie es für jede andere derartige Anstalt, auch in der BRD, typisch ist.“ Die Ad-hoc- Gruppe fordert ein alternatives Gedenkstätten-Konzept, u. a. müßten berücksichtigt werden: Haftanstalten, Haftregime und Umgang mit politischen Häftlingen in beiden deutschen Staaten.

Wie umgehen mit der DDR- Geschichte? Gedenkstättenleiterin Camphausen sagt: „Rechtstaatliche Normen wurden hier nicht eingehalten.“ Das sei auch deutlich zu machen. Zu der Gedenkstätte steht auch Bürgermeisterin Grygier, was sie mit ihrem Besuch zeigen wollte. Für sie, die von der PDS ins Amt gewählt wurde, ist die entscheidende Frage: „Gibt es ein ernsthaftes Bemühen darum, hinzugucken, was im Laufe von 40 Jahren wann und wie passiert ist.“ Oder würden die Schotten gleich dichtgemacht.

Inzwischen hat sich die PDS von dem Papier ihrer Ad-hoc-Arbeitsgruppe distanziert. Grygier setzt dennoch auf einen Diskussionsprozeß in der Partei. Den wird es am Mittwoch geben, wenn parteiintern zu dieser Frage die Fetzen fliegen sollen. Jens Rübsam