■ Südafrika: Wahrheitskommision ist politisch gescheitert
: Die Grenzen der Versöhnung

Kein Zweifel: Desmond Tutus Ausbruch war überzogen, aber nicht gespielt. Mit Tränen reagierte er auf die Aussagen des letzten weißen Präsidenten des Landes. Tutu wäre nicht Tutu, träte er nicht immer wieder so auf. Der Friedensnobelpreiträger ist das gute Gewissen der Nation, dem Versöhnung ein tiefes, auch religiös begründetes Anliegen ist.

Wenn die ehemaligen Machthaber von Südafrika nun den Versöhungsprozeß boykottieren, ist das für Tutu auch eine persönliche Niederlage. Sein Konzept der Versöhnung, das alle Bereiche der Gesellschaft einschließt, ist eine Fiktion geblieben. Wie in anderen Ländern auch, kristallisiert sich in Südafrika heraus, daß die politisch Verantwortlichen nicht nur straffrei, sondern vollkommen ungeschoren davonkommen. Ersteres war gewollt. Allerdings hatte man gehofft, daß man sie durch dieses immense Zugeständnis wenigstens zum Reden bringen würde – eine Illusion.

Denn die Nationale Partei ist kaum zur Versöhnung bereit. Noch heute glauben viele Mitglieder, daß die Apartheid eigentlich eine gut gemeinte und humanitär fortschrittliche Idee war. Selbstgerecht und mit beleidigtem Unterton wiederholte de Klerk Altbekanntes: Er hat von nichts gewußt und will von nichts wissen. Seine Entschuldigung bleibt halbherzig. Zudem wälzte er die Schuld auf die ab, die der Apartheidstaat erwiesenermaßen bezahlte, um Oppositionelle zu foltern und zu ermorden. Sie als verirrte Einzeltäter zu bezeichnen, ist empörend.

Der Nationalen Partei ging und geht es seit der Wende nur um Machterhalt und ihre Privilegien. Zudem ist die Aufkündigung der Zusammenarbeit zeitlich kein Zufall. Ein Jahr nach ihrem Austritt aus der gemeinsamen Regierung steht die Partei kurz vor der Spaltung, und de Klerk versucht mit allen Mitteln, seine weiße Anhängerschaft zu mobilisieren. Der sozialpsychologischen Arbeit der Kommission mit und für die Opfer tut der Boykott keinen Abbruch. Politisch aber ist der Versöhnungsprozeß gescheitert. Kordula Doerfler