■ Haushaltsloch: Waigel will Neubewertung des Goldes
: Goldener Mittelweg?

1997 fehlen dem Staat 18 Milliarden Mark an Steuereinnahmen. Tendenz für die Zukunft: steigend. Nun ist eine zum Teil abenteuerliche Suche nach Auswegen im Gange. Die Lage erinnert an das Ende der sozialliberalen Koalition Anfang der 80er. Die Koalition schlägt zum Teil atemberaubende Konzepte vor. Die Opposition geht Waigel verbalradikal an – ohne jedoch eine eigene Idee zu präsentieren.

Die Finanzkrise läßt sich nur bekämpfen, wenn man die gesamtwirtschaftliche Lage ändert: die sinkende Massenkaufkraft, Wachstumsschwäche und Arbeitslosigkeit. Sonst bleibt auch die Finanzkrise. Deshalb scheidet eine neue Sparrunde aus. Da Staatsausgaben zugleich immer Einnahmen der Wirtschaft sind, wäre ein sich spiralenförmig erweiternder Abwärtstrend die Folge. Auch eine Mehrwertsteuererhöhung scheidet derzeit aus. Die Mehrwertsteuer belastet den privaten Verbrauch und wirkt sozial ungerecht. So bleibt die Neuverschuldung. Eine Inflation würde dieses Mittel, anders als oft behauptet, nicht befördern: Deutschland weist mit einer deutlich höheren Verschuldungsquote derzeit in Europa die niedrigste Inflationsrate auf. Doch eine Neuverschuldung kollidiert mit den Euro-Kriterien, die nur drei Prozent Neuverschuldung (gegenüber dem Inlandsprodukt) erlauben.

Was also tun? Weil man (zumindest verbal) nibelungentreu zu den Euro-Kriterien steht, soll Bundesvermögen verkauft werden. Eine unsolide Lösung: Den geplanten Verkauf von Telekom-Aktien werden die aggressiv angeworbenen Kleinanleger mit Kursverlusten bezahlen. So bleibt das Bundesbank-Gold. Waigel will es keineswegs verkaufen, sondern die in den Goldreserven steckenden stillen Reserven mobilisieren. Und diese Idee verdient eine ideologiefreie Überprüfung. Die vorsichtigen Bundesbanker bewerten die Goldreserven derzeit mit knapp 14 Milliarden Mark. Nach Marktpreisen ist das Gold aber rund 55 Milliarden Mark wert. Diesen Goldregen von rund 40 Milliarden will Waigel nun nutzen, um die Schulden zu senken. Die Marktbewertung der Goldreserven führt also zu nichts anderem als einer Geldschöpfung durch die Notenbank. Eine Schar von Kritikern prophezeit, daß die verpönte Geldschöpfung inflationär wirke. Zu Unrecht, denn bei niedriger Produktion und hoher Arbeitslosigkeit ist die Inflationsgefahr gering. Kurzum: Die höhere Bewertung der Goldreserven ist gesamtwirtschaftlich vernünftig. Laut dem Maasstrichter Vertrag ist freilich jegliche Art von Geldschöpfung für den Euro untersagt. Aber das ist ein Argument gegen Maastricht und weniger gegen die Goldneubewertung. Die Euro-Kriterien passen gesamtwirtschaftlich eben nicht.

Freilich hat Waigels Goldidee einen anderen, gewichtigen Nachteil: Er ist einmalig. So bleibt seine Idee kosmetische Korrektur. An der Fehlentwicklung der Haushalte ändert er nichts. Rudolf Hickel

Der Autor ist Professor für Finanzwissenschaften