De Klerk torpediert die Versöhnung

Neue Anhörungen vor der Wahrheitskommission provozieren einen Eklat in Südafrika. Jetzt will die Nationale Partei nicht mehr mit dem Gremium zusammenarbeiten  ■ Aus Johannesburg Kordula Doerfler

Im Prozeß der südafrikanischen Vergangenheitsbewältigung ist es zum Eklat zwischen den ehemaligen Machthabern in der Nationalen Partei (NP) und der Wahrheitskommission gekommen. Nach emotionalen Äußerungen von deren Vorsitzenden Desmond Tutu will die Partei nicht mehr mit der Kommission zusammenarbeiten. Außerdem, so heißt es in einer gestern verbreiteten Erklärung, prüfe sie rechtliche Schritt gegen Tutu und dessen Stellvertreter Alex Boraine. Die Kommission sei parteiisch und habe gegen die Rechtsgrundlage verstoßen, erst am Ende ihrer Arbeit Schlüsse zu ziehen, hieß es zur Begründung.

Hintergrund des Streits sind die Anhörungen der Kommission in dieser Woche. Seit Montag werden in einer zweiten Runde die politischen Parteien über ihre Verwicklung in Menschenrechtsverletzungen während der Apartheidzeit befragt. Dabei hatte zu Anfang der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) eine Reihe von Verbrechen im Befreiungskampf detailliert zugegeben. Der letzte weiße Präsident des Landes jedoch, Frederik Willem de Klerk, will von Menschenrechtsverletzungen als Bestandteil der Apartheidpolitik immer noch nichts wissen. Zwar entschuldigte er sich wie schon bei der ersten Anhörung im August 96 bei den Opfern. Um sich selbst weiter zu entlasten, nahm er jetzt eine kleine Trennung vor und distanzierte sich mehrmals ausdrücklich von den Tätern. Mord und Folter an Oppositionellen seien Regelverstöße von einzelnen gewesen, die durchaus strafrechtlich verfolgt werden sollten.

Die Kommission war empört, und Tutu reagierte in gewohnter Weise – zutiefst emotional. Den Tränen nahe brachte der ehemalige anglikanische Erzbischof am Donnerstag in einer Pressekonferenz seine Enttäuschung zum Ausdruck. De Klerks Aussagen seien vollkommen unakzeptabel und seine Entschuldigung unzureichend. Maßnahmen wie die Verhängung des Ausnahmezustands waren „eine Lizenz zum Töten“, sagte Tutu. Menschenrechtsverletzungen seien keine „Verirrungen“ gewesen, wie von de Klerk wörtlich behauptet, sondern gezielt und mit Wissen der politisch Verantwortlichen geplant worden.

Diese Äußerungen Tutus waren für die NP Anlaß, sich aus dem von ihr ohnehin nicht geliebten Prozeß zurückzuziehen. Daß überhaupt eine Wahrheitskommission existiert, ist ein ausgehandelter Kompromiß der Übergangszeit. Wäre es nach der NP gegangen, hätte es eine Blankoamnestie für die Täter gegeben. Mit ihrem Boykott ist sie in guter Gesellschaft. Die drittgrößte politische Kraft, die Inkatha-Freiheitspartei unter dem heutigen Innenminister Mangosuthu Buthelezi, hat sich von vornherein geweigert, an dem Prozeß der Wahrheitsfindung teilzunehmen.

Der Eklat kam in einer Woche, in der die NP ohnehin im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Vor einem Jahr war sie aus der gemeinsamen Regierung mit dem ANC ausgestiegen, jetzt steht sie kurz vor der Spaltung. Vermutlich noch an diesem Wochenende wird Roelf Meyer, Chefunterhändler der Partei während der Transformationsverhandlungen, die Partei verlassen. De Klerk hatte ihn vor wenigen Tagen als Chef einer Kommission gefeuert, die Bündnismöglichkeiten mit anderen Parteien untersuchten sollte.

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