Breminale am Tag: Bunt, sympathisch, chaotisch – der Mythos lebte wieder auf

Just als es darauf ankam, daß möglichst viele zahlungswillige Gäste zur „Ear-Nite“, der einzigen eintrittspflichtigen Veranstaltung der Breminale, anrückten, begann es am Sonntag abend natürlich wieder zu regnen. Und so werden die Organisatoren wohl selbst bei der diesjährigen Sparausgabe wieder in Geldnöte geraten. Dabei sah es bis dahin erstaunlich gut aus. Der Wolkenbruch in der Samstagnacht wurde von einigen Besuchern gar als „wunderschöner“dramaturgischer Effekt empfunden, und selbst viele, denen das rituelle Budenfest am Weserufer in den letzten Jahren immer suspekter wurde, konnten sich der Pfingststimmung am sonnigen Sonntagnachmittag nicht entziehen.

Bei dem Wetter konnte ja auch kaum etwas schiefgehen, aber es schien sich auch als versteckter Segen zu erweisen, daß die „Breminale GmbH“diesmal kleine Brötchen backen mußte. Denn während sich die Veranstaltung in den letzten Jahren immer weiter von ihren Wurzeln im Viertel entfernte und Bremer Künstler zu Recht kritisierten, daß sie dort höchstens noch als Verzierung am Rande auftauchten, mußten die Organisatoren diesmal wohl oder übel auf die lokalen Talente zurückgreifen. Der Plattenladen „Ear“präsentierte eine Konzertnacht, „Radio Bremen 2“eine andere, und auf den anderen Bühnen sorgten eine Nachwuchsband aus Bassum, eine Rockkapelle aus Münster oder das Bremer Folkrock-Duo „Zettelmeier“für gute Stimmungsmusik zu Bier und Fish and Chips. So zurechtgestutzt war die Breminale nicht viel mehr als ein Picknick des Ostertorviertels, komplett mit vielen Kindern und Hunden, die sich auch mal auf die Bühnen verirrten, und dort den Akteuren die Show stahlen. Aber so sympathisch, chaotisch und bunt hat das Viertel schon lange nicht mehr seinem eigenen, fast schon vergessenen Mythos entsprochen.

So konnte man beim Programm im Flut-Zelt ein Kulturprogramm besichtigen, das mit seiner Mischung aus Multikulti und Absurditäten ganz typisch für die Befindlichkeiten der Viertel-Szene ist. Zuerst versuchte das Theatertrio „Chinelo“ebenso penetrant wie bemüht die Talente eines mexikanischen Pantomimen und zweier Bremerinnen mit Streichinstrumenten unter einen Hut zu bringen. Die norddeutsche Flamenco-Gruppe „Los Fandangos“führte danach mit viel Gitarre, Gestampfe und „AiAiAiii“ein „Flamencodrama“auf und eine kurdische Musikgruppe spielte zusätzlich zum Programm einfach so noch ein paar Stücke. Aber dann wurden die seligen Zeiten der Beat-Poeten der 60er Jahre heraufbeschworen, als ein mysteriöser Mr. Propper durch die „Social Beat/Poetry Slam-Session“führte. Vier Poeten aus der Bremer „Underground-Literatur-Szene“stellten hier sehr publikumswirksam ihre Werke vor. Ob Rap-Lyrik wie „der Soundtrack zum Dasein“, oder Neo-Nietzsche-Zeilen wie „Gebt uns endlich Götterblut zu saufen“nun schlechte oder erleuchtete Poesie sind, war dabei eher nebensächlich, denn das Spektakel um die Lesungen mit (auf der Leinwand im Hellen kaum erkennbaren) Videofilmchen, live eingespielten Sound-Samples und dem durchgedrehten Conferencier war so manisch und unterhaltsam, daß man auf jeden Fall seinen Spaß hatte, egal ob nun mit oder auf Kosten der Akteure. Mit blöden Kalauern („Achim aus Achim“) und gewagten Wortschöpfungen („Trend-Getüddel“) wurde hier die subversiv alberne Kleinkunst gefeiert. Und als im zweiten Progammteil „open mike“dann jeder, der sich traute, seine Texte verlesen, Lieder singen oder Gedichte aufsagen durfte, klangen ein Aufsatz über das „Leben ohne Fernse-her“, eine Ballade im Stil von Janis Joplin und Punkgedichte wie der ideale Soundtrack zum Viertel“.

Wilfried Hippen