Aufstand gegen die alten Hasen

Italiens Nachwuchspolitiker möchten gern auf Blairs Erfolgswelle reiten. Nur wissen sie wenig über die Hintergründe der britischen „Wende“  ■ Aus Rom Werner Raith

Am schnellsten hatte Walter Veltroni die Sache gerafft. Der 42 Jahre alte Vize-Ministerpräsident in Italiens „Olivenbaum“-Regierung startete voll durch, kaum waren die ersten Resultate aus England bekannt: Hammer und Sichel, das noch immer unter dem Eichenbaum-Symbol seiner Linksdemokraten-Partei sichtbare Symbol der verstorbenen KP, müßten „nun endgültig weg“. Die Linke habe „schließlich wieder siegen gelernt“ – und zwar nicht mehr als „Arbeiterpartei, sondern als die Partei des Fortschritts“.

Tony Blairs Erfolg, meint Veltroni, sei eben der Beweis auch dafür, daß die Wähler in ganz Europa erkennen, daß nicht die Konservativen, sondern „jene die Zukunft gestalten, die erkennbar Projekte zur Ablösung des unbezahlbaren Wohlfahrtstaates bei Beibehaltung sozialer Gerechtigkeit vorweisen. Und das ist eben die Neue Linke, die wesentlich mehr ist als die alte Linke.“

Damit seine Botschaft auch an die Richtigen kommt, verbreitete Veltroni seine Ideen im Sprachrohr der Rechten, in Silvio Berlusconis Panorama, das die Artikel über den Blair-Effekt allerdings mit der Schlagzeile versehen hatte: „Wenn die Linke lernt, rechts zu sein, dann siegt sie.“

Veltroni steht mit seinem kühnen Sprung aufs Blair-Gefährt nicht alleine – auch in der Rechten und gar Ultrarechten haben alle Oberwasser, die sich, als gerade mal Vierzigjährige, von den Altvorderen zurückgedrängt fühlen. Sie führen Blairs Erfolg vor allem auf seine Ausstrahlung als junger Dynamiker ohne Vorbelastung in Sachen Establishment oder Korruption zurück. So mußte der erst 45jährige Chef der Rechtsaußen- Partei „Nationale Allianz“, Gianfranco Fini, seinen Koordinator Maurizio Gasparri rüffeln, weil der den Übergang von Major zu Blair als „einen Denkzettel auch für jene“ aufgefaßt hatte, „die zwar gerontologisch noch im Saft stehen, aber wesentlich dynamischeren Nachrückern den Weg verstellen“.

Tatsächlich wirkt Fini, noch vor drei Jahren selbst als Senkrechtstarter an die Spitze der politischen Hierarchien gespült, mittlerweile fast wie eine Mumie, während seine in Italien früher despektierlich als „Colonelli“ (Obersten) bezeichneten Mitarbeiter die Attitüde der dümmlichen Wasserträger behend abgestreift haben und sich vom Chef nicht mehr den Mund verbieten lassen.

Eine Ausnahme in all dieser „Blairerei“ (il Giornale) bildet lediglich die Forza Italia, die Partei des Medienzaren und früheren Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Das allerdings rührt nach Meinung der Kommentatoren vor allem daher, daß „die Partei sowieso nur aus Berlusconi selbst besteht, und der Mann alles selber macht, also auch den eigenen Nachwuchs darstellt“ (Espresso).

Daß die Linke auf Blairs Erfolgswelle reiten möchte, war vorauszusehen. Daß sie von den Hintergründen seiner Wahl wenig Ahnung hat, erweist sich mittlerweile allerdings ziemlich deutlich. So loben Veltroni und Konsorten sowohl die „Loslösung von den ultralinken Gewerkschaften“ als auch die „Verabschiedung vom veralteten Wohlfahrtsstaat“, rühmen das „bedingungslose Ja zur Globalisierung“ und finden auch anerkennende Worte für „die immer mal wieder durchscheinende Betonung nationaler Prioritäten“.

Doch all das hat Italiens Ex-KP doch selbst bereits seit Jahren, teilweise Jahrzehnten durchgemacht. Der Abstand zu den Gewerkschaften existiert bereits seit der Mitte der achtziger Jahre, der Abbau des Wohlfahrtsstaates ist einerseits in Italien sowieso inhaltlich keine allzu große Nummer – es gab ihn ohnehin nie –, und was davon vorhanden war, ist bereits seit Jahren mit Billigung der Linken abgebaut. Die Globalisierung hat im PDS bereits Fürsprecher gehabt, als die Rechte noch überlegte, ob sie nicht eher zu Mussolinis Autarkiedenken zurückkehren sollte, und die Betonung nationaler Interessen ist in Italien nicht nur im Fußball Tagesgeschäft. Was also soll Blairs Rechtswende die italienische Linke noch lehren?

Manch einer versteht allerdings schon, worauf Veltronis Freudenfeuerwerk hinaus will: Sie wollen den Chef der Linksdemokraten, Massimo D'Alema, den derzeit stärksten Politiker des Landes, abservieren. Der ist zwar erst 45 Jahre alt, doch er steckt bereits von Kindesbeinen an in der Politik. Mit zwölf Jahren hat er Breschnew das Grußgedicht der italienischen Jung-KPler aufsagen dürfen und stürmte seither unaufhaltsam auf die Führung des Landes zu.

Aber das soll ihm, wenn es nach Veltroni geht, nun zum Verhängnis werden. Ganz gleich, ob einer jung oder alt ist, so die Botschaft, die Veltroni aus Blairs Sieg herausfiltert – es kommt nur auf das „Dienstalter an“. Und das heißt, je länger einer Politiker ist, um so weniger taugt er heutzutage für die neue Politik. Veltroni hat, im Gegensatz zu D'Alema, eine respektable Laufbahn als Journalist hinter sich und widmete sich vor seinem Einstieg in die parlamentarische Politik vor allem der Kultur.

Ob ihm das allerdings viel gegen die erprobten alten Hasen nützen wird, ist eher zweifelhaft. Der Karikaturist von La Repubblica traf den Nagel auf den Kopf: Er zeichnete eine ganze Riege von Blair- Adepten, denen als Botschaft nichts anderes einfällt als der unentwegte Ruf: „Bla-Bla-Blair“.