Weiter so! Bis zum Jahr 2006!

■ Die Bonner Koalition ist in der Krise? Welche Krise?

Jetzt sind die Hunde wieder von der Leine und dürfen kläffen, was das Zeug hält. Jürgen Koppelin, der schleswig- holsteinische FDP-Landesvorsitzende, macht den Terrier: Der Finanzminister soll endlich seine „südamerikanische Buchführung“ beenden! Alles nur „billige Showeffekte“, bellt es aus der CSU zurück. Steuererhöhungen sind mit uns nicht zu machen, droht die FDP. Waigel ist schließlich nicht unser Problem, sondern das von CDU und CSU, mault der stellvertretende FDP-Vorsitzende Rainer Brüderle. Brüderle? fragt der CDU-Wirtschaftsexperte Friedhelm Ost gelangweilt. Der ist doch nur eine „Nullnummer aus der Provinz“. Sieht so eine Regierungskrise aus?

Umgekehrt: Die Krise ist immer dann im Anmarsch, wenn einige gar nichts mehr sagen. Kohl? Schäuble? Gerhardt? Solms? Kein Wort von den Machern der Koalition. Sie wissen warum. Jedes Wort wäre eines zuviel, weil die Nerven in Bonn wieder mal blank liegen. Aber sie wissen auch, daß sie mit einem guten Management im Hintergrund die Koalition über die Runden bringen. Das hat noch immer funktioniert. Krise? Welche Krise? Vielleicht ist ein bißchen Sand im Getriebe, aber die Koalition hält bis 1998 und die nächsten vier Jahre und die nächsten vier. Weiter so!

Das Bündnis von CDU/CSU und FDP wird nicht etwa dadurch gefährdet, daß ihm immer offensichtlicher die gemeinsame Grundlage fehlt oder daß der Haushalt für 1998 noch löchriger ist als der von 1997. Es hängt allein an der Überzeugung der drei Parteien, daß sie einander brauchen. Und diese Überzeugung ist nicht so leicht zu erschüttern. CDU, CSU und FDP sind aneinandergekettet. Bricht die Koalition, würde die Union gegenüber SPD, Grünen und PDS auf Jahre hinaus in eine strukturelle Minderheitsposition geraten. Die FDP könnte für den Fall ihren Laden wohl dichtmachen.

Die Koalition ist finanzpolitisch in einer ausweglosen Lage. Aber gerade deshalb interessieren sie ihre Versprechen von gestern und die Folgen ihrer Politik von morgen immer weniger. Steuerreform? Rentenreform? Jahrhundertwerk? Reformpartei FDP? Man kann die Steuern auch erhöhen, die Renten ein bißchen kürzen, und auch die FDP kann irgendwann mal wieder umfallen. Es kommt nur noch darauf an, was dabei rausspringt. Jens König