Haases vorerst letzter Fettnapf

■ Parlamentsvorsteher befördert seinen Sprecher gegen das Veto des Präsidiums. Opposition fordert jetzt den Rücktritt

Die grün-rote Opposition will einen anderen Präsidenten für das Abgeordnetenhaus. PDS und Bündnisgrüne haben gestern den Vorsitzenden des Parlaments, Herwig Haase (CDU), nach seinem jüngsten Fauxpas zum Rücktritt aufgefordert. Haase hat gegen das ausdrückliche Veto seines Präsidiums mehr als einem Dutzend Mitarbeiter der Abgeordnetenhausverwaltung eine saftige Gehaltserhöhung spendiert. Unter den Beförderten befindet sich Haases Sprecher und Büroleiter.

Bereits bei der Anmeldung des Haushalts 1997 hatte Haase für seinen Referenten eine Höhergruppierung vom Angestelltentarif 1b auf 1a beantragt. Das Präsidium des Abgeordnetenhauses hatte den 500-Mark-Aufschlag jedoch abgelehnt. Die Gehaltserhöhung passe nicht in die Zeit des Sparens, begründeten die Präsidialen ihr Veto. Haase umging das Nein bei der erstbesten Gelegenheit: Er puschte die Stellen seines Büroleiters und des Chefs der Hausverwaltung aus „außerplanmäßigen Mitteln“; in deren Gefolge fielen nach taz-Informationen 15 Mitarbeiter der „Allgemeinen Verwaltung“ die Besoldungsleiter hinauf.

Der Fraktionsvorstand der SPD erklärte, Herwig Haase sei dem hohen Amt des Präsidenten „nicht gewachsen“. Die Sozialdemokraten bitten daher die CDU-Fraktion (der Haase angehört) zu prüfen, „ob Haases Verbleiben geeignet ist, das Ansehen des Berliner Parlaments zu wahren“. PDS und Grüne wurden deutlicher. Haases Amtsführung sei eine „Kette von Fehlleistungen“, kommentierte PDS-Fraktionschef Harald Wolf. Er habe keine Lust, sagte Wolf, einen Präsidenten wegen der Mißachtung des Angestelltentarifs zum Rücktritt aufzufordern. Bei Haase bleibe nichts anderes übrig. Verzweiflung herrschte bei den Bündnisgrünen. „Der Mann ist nicht therapiefähig“, sagte ihr sozialpolitischer Sprecher Michael Haberkorn. Eine formale Prozedur zur Abwahl Haases sieht die Parlaments-Geschäftsordnung indes gar nicht vor. Wenn Haase nicht von alleine geht, kann das Parlament ihn nicht loswerden.

Präsident Haase bezeichnete die Vorwürfe als „in der Sache falsch und auch ungerecht“. Er sei „an den Tarifvertrag und die sich daraus ergebenden Eingruppierungen“ gebunden.

Herwig Haase ist als Chef der Legislative der zweithöchste Repräsentant des Landes Berlin. Er hatte in den letzten Monaten mehrfach heftige Kritik provoziert. Zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus hatte er dazu aufgerufen, der „Opfer, die zuvor Täter waren“ zu gedenken – auf gut deutsch: am Tag von Auschwitz an Wehrmachtssoldaten, SS-Einheiten und Nazi-Schergen zu erinnern. Dann hatte Haase Gianfranco Fini, den postfaschistischen Chef der italienischen Alleanza Nazionale, zu einem Meinungsaustausch empfangen wollen. Schließlich stand die letzte Parlamentssitzung ganz im Zeichen des Privatmannes Haase; als solcher hatte der Präsident der Peinlichkeiten vier Bäume auf seinem Nachbargrundstück eigenhändig abgeholzt – ohne die Zustimmung von Nachbarn oder Umweltbehörden. Christian Füller