„Wie eine Klette am Störer dran“

■ Berliner Polizeidirektor dementiert Polizeifunk, in dem am 1.Mai von 50 vermummten Zivilbeamten die Rede war

Berlin (taz) – Der Berliner Landesschutzpolizeidirektor Gernot Piestert schließt aus, daß verdeckte Ermittler beim Einsatz am 1. Mai in Kreuzberg vermummt waren und Straftaten begangen haben. Damit trat Piestert gestern einem Bericht der taz vom vergangenen Freitag entgegen, in dem Auszüge des Polizeifunks dokumentiert worden waren.

Der Tonbandmitschnitt, der der taz zugespielt worden war, legt die Vermutung nahe, daß bei der nächtlichen Randale am 1. Mai in Kreuzberg 50 vermummte Zivilpolizisten mitgemischt haben, also Polizisten in szenetypischer Straßenkleidung, deren Gesichter obendrein noch verhüllt waren. Den uniformierten Beamten war dies offenbar unbekannt. Erst als die Unifomierten auf die vermummte Gruppe stießen, stellte sich heraus, daß es sich bei dieser um sogenannte „Zylinderkräfte“ handelte, dem polizeiinternen Begriff für Zivilbeamte. Die Funkzentrale (Codewort: „Weide 24“) fragt: „Das waren die 50 Vermummten, die waren Verdeckte, richtig?“ Daraufhin bestätigt die Funkerin der Uniformierten („Pegel 2“): „Ja, genau so.“ Kurz darauf meldet sich der Einsatzleiter der verdeckten Ermittler („Weide 9-0“) bei der Funkzentrale und sagt: „Zum Abklären. Das waren nachher Verdeckte, aber vorher waren die Vermummten da drin. Da gibt es gar keinen Zweifel.“

Der Polizeidirektor räumte gestern ein, daß sich das Wortprotokoll des Funkmitschnitts „für nicht Eingeweihte in Unkenntnis des Polizeijargons unter Umständen so lesen läßt“, daß die 50 Vermummten verdeckte Ermittler gewesen seien. Dem sei aber nicht so gewesen, erklärte Piestert mit Verweis auf die „Klarstellung“ von „Weide 9-0“ an „Weide 24“. Der Vorgang, der kommenden Montag auf Antrag der Grünen im Innenausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses zur Sprache kommen wird, werde zur Zeit aber noch einmal genau überprüft, so Piestert.

Er geht davon aus, daß in jener Nacht maximal 20 Zivilbeamte in Kreuzberg eingesetzt waren, „aber nicht geschlossen“ als Block. In der besagten Situation habe sich eine Gruppe von etwa 50 überwiegend jungen Leuten, von denen „einige vermummt“ gewesen seien, in Richtung Oranienplatz bewegt. An diese hätten sich einige Zivilbeamte gemäß der Polizeitaktik „wie eine Klette am potentiellen Störer dranbleiben und mitgehen“ gehängt. Piestert schätzte, daß es „maximal drei bis vier szenetypisch gekleidete“ Zivilbeamte gewesen seien.

Am Oranienplatz habe sich die Gruppe angesichts der dort postierten Uniformierten in die Büsche der Grünanlage geschlagen, „auch die Vermummten und die Polizisten in szenetypischer Kleidung“. In dieser Situation sei es zu dem Hinweis von „Pegel 2“ gekommen, in der Gruppe seien „auch Zylinderkräfte“. Im Funkspruch heißt es „überwiegend Zylinderkräfte“. Die Funkzentrale erkundigt sich laut Piestert daraufhin, ob die Zivilkräfte vorher vermummt gewesen seien und bekommt von „Pegel 2“ zur Antwort: „Ja.“ Aber nun stelle der Einsatzleiter der Zivilbeamten sinngemäß klar: „Vorher waren in der Gruppe Vermummte da drinnen, nämlich in der Grünanlage, und jetzt sind es unsere Zivilkräfte.“ Piestert schließt aus, daß die Zivilbeamten vermummt waren. Wer dies tue, erwecke den Anschein, Straftaten begehen zu wollen. Plutonia Plarre