Fluten im Raum

■ Das kalifornische Quartett Tarnation führt seine tragischen Country-Arien auf

Die wundersame Westernwelt von Tarnation–Sängerin Paula Frazer haucht wüstennachtverhangen "Is She Lonesome Now?“ins Mikro, während im Hintergrund ein Steptänzer die Bretter bearbeitet. In der Musik des kalifornischen Quartetts geht das gut zusammen, denn mit puristischem Country made in Nashville hat es wenig am Hut.

Die mexikanischen Trompeten und die gravitätisch schreitenden E-Gitarren, die sich auf ihrem aktuellen Album Mirador finden, erinnern nicht selten an die eklektizistische Soundtrack-Kunst von Ennio Morricone, in der sich Westernchiffren ganz prima mit Beatriffs vertragen. Cinemascopisch opulent, dramaturgisch dicht und verdammt dunkel sind auch die Songs, die Paula Frazer singt.

Aber was heißt hier überhaupt singen? Die Frau flutet mit ihrem erstaunlichen Tremolo gleichsam den Raum und klingt mal wie die Country-Ikone Patsy Cline, ihr großes Vorbild, und mal so massiv wie ein ganzer bulgarischer Frauenchor. Da kann es überhaupt nicht verwundern, daß die stattliche Chanteuse aus San Francisco nicht nur mit Folkrockformationen wie Virginia Dare gearbeitet hat, sondern auch eine zeitlang in einem Chor, der auf traditionelle osteuropäische Musik spezialisiert war. Es macht also durchaus Sinn, daß Tarnation vor drei Jahren von 4 AD unter Vertrag genommen wurden, jenem renommierten Label, das Mitte der achtziger Jahre auch Les Voix Bulgares in die westeuropäischen Charts eingeführt hat.

Country-Puristen können verständlicherweise nicht viel mit den schräg ausgeschmückten Elegien von Tarnation anfangen, aber auch als das Ensemble Anfang diesen Monats als Vorprogramm von Nick Cave im CCH aufgetreten ist, tapsten frech viele Besucher zum Rauchen ins Foyer. Das ist nicht nachzuvollziehen, denn die stets theatralisch auftrumpfenden Western-Arien müßten denen eigentlich gefallen.

Der notorische Übertreiber Nick Cave wirkt nämlich im Vergleich zur Tarnation-Chefin wie ein Mensch mit Understatement. Paula Frazer, oh ja, ist eine Tragödin alter Schule.

Christian Buß

So, 25. Mai, 21 Uhr, Knust