Der homosexuelle Mann... Von Elmar Kraushaar

...wird dieser Tage 100. Oder zumindest die Bewegung, die sich seiner Emanzipation angenommen hat. Ein schönes Fest, und alle, alle – na ja, fast alle – gratulieren. Und berichten in Zeitungen und Zeitschriften, in Funk und Fernsehen über den wichtigen Termin.

Also mir hat am besten dazu Reinhard Beuth in der Welt gefallen. Wie so oft bringen die Konservativen auch hier ohne viel Firlefanz das Schwierige auf den leichten Punkt: „Ein buntes Völkchen traut sich aufzutreten.“ Da zieht doch gleich der ganze Tingeltangel auf mit Federboa und Nagellack und juchzenden Jungs in Sektlaune. Was für ein Leben! Die zum Jubiläum passende Ausstellung – auch da weiß der Mann von der Welt Bescheid – sei voll von „schwulem Krusch und Plunder“ und gebe letztlich sowieso nur die „querständige Mentalität“ der „West-Berliner Szene“ wieder, die – undankbares Völkchen – „nicht gesellschaftliche Integration, sondern permanentes Außenseitertum zum Ziel hatte“.

Ähnlich gut kennt sich Mechthild Henneke aus, Reporterin bei der Berliner Zeitung. „Wenig avantgardistischen Glanz“ habe die „Szene“ hier zu bieten, denn die Karawane sei doch schon längst weitergezogen: „Die Avantgarde trifft sich heute auf der anderen Seite des Kontinents: in San Francisco.“ Denn dort, das hat sich Frau Henneke von dem SF-Kenner Rosa von Praunheim erzählen lassen, gibt es „schwule Asiaten“, eine „Internet-Bewegung“ und „Hermaphroditen, die sich zusammenschließen“. Ein buntes Völkchen also auch hier.

Bei so viel Einfalt greife ich lieber zur taz und lese nach, was der deutsch-amerikanische Historiker George Mosse zur Ausstellungseröffnung gesagt hat: Von der „Macht des Bildes“ spricht er, „das sich unsere Gesellschaft von Außenseitern macht“. Und davon, „die Gesellschaft von ihrem Stereotyp“ über Homosexuelle zu befreien. Damit wir bei so viel Gedankenschwere nicht übermütig werden, ist im Berlin-Teil der gleichen Ausgabe ein Foto plaziert, das zwei Männer zeigt, eng umschlungen, von hinten, der eine hält seine Hand auf dem Arsch des anderen. Bildunterschrift: „Sie haben es oft nicht leicht: junge Schwule.“ Und man sieht das Bild vor sich beim nächsten Einsatz, vielleicht in drei Monaten, und dann steht darunter: „Junge Schwule: Ihnen gehört die Welt!“ oder: „Sie lassen nichts anbrennen: junge Schwule!“ Zwei Ärsche sind für alles zu gebrauchen.

Gut gemeint, aber haarscharf daneben geht es auch bei der Nachrichtenagentur dpa. Die haben für das Jubiläum eine ganz außergewöhnliche Erklärung. Seit Magnus Hirschfelds Gründung des „Wissenschaftlich-humanitären Komitees“ vor 100 Jahren kämpfen Schwule gegen den Paragraphen 175, ergo: „Der daraus abgeleitete 17. Mai (17.5.) ist seitdem weltweit der sogenannte Bekenntnistag der Homosexuellen.“ Was für eine Idee, diesen Schandparagraphen zu feiern! Und was hat der Rest der Welt mit dieser deutschen Verirrung zu tun?

Anläßlich der Hundert-Jahr- Feier gibt es viele, die von der „schönen schwulen Welt“ schwärmen, in der wir heute angeblich leben. „Es ist alles gar nicht wahr!“ will man denen zurufen: „Die Dummheit, die Klischees und die Vorurteile haben sich nur viel besser getarnt!“