■ Frankreich-Wahlen: Wie Chirac mit Europa Politik macht
: Die Maastricht-Erpressung

Parlamentsauflösung wg. Euro. So lautete vor vier Wochen die offizielle Begründung für die vorgezogenen Neuwahlen, in die Präsident Jacques Chirac die völlig unvorbereitete linke Opposition und die orientierungslosen Franzosen gestürzt hat. Eine langatmige Debatte über den Euro bis zum ursprünglich vorgesehenen Wahltermin im nächsten Frühjahr wäre schädlich, war das für einen Demokraten höchst fragwürdige Argument.

Chiracs taktisches Kalkül ist bisher aufgegangen. Alle großen Parteien – von der KPF bis zu den Neogaullisten – drückten sich vor dem leidigen Euro- Thema. Wegen der eigenen historischen Mitverantwortung für die gegenwärtige Lage und aus Rücksicht auf andersdenkende Bündnispartner im Wahlkampf.

Fünf Tage vor dem ersten Urnengang war es wieder Chirac, der den Euro aus der Tasche zog. Und wieder war es ein rein taktisches Manöver mit dem Ziel des Mehrheitserhalts. Motto: Eine konservative Regierung oder Gefahr für Frankreich in Europa.

Die Warnung vor der Kohabitation zwischen einer Regierung und einem Präsidenten, die aus gegnerischen politischen Lagern kommen, ist nichts Neues. Sozialisten als auch Konservative haben sie bei den passenden Anlässen heraufbeschworen. Dabei können solche Zwangszusammenarbeiten fruchtbar sein. Als erster tat das Chirac selbst, dem als Regierungschef unter dem sozialistischen Präsidenten Mitterrand von 1986 bis 1988 nichts anderes übrig blieb, als die europäische Zusammenarbeit zu intensivieren.

Chiracs Erpressung mit dem Euro ist auch aus einem anderen Grund unglaubwürdig. Schließlich waren es nicht die Sozialisten, sondern vor allem Chiracs politische Weggefährten, die sich 1992 gegen Maastricht stellten. Die Neogaullisten Pasqua und Seguin schalteten selbst in Deutschland ganzseitige Anzeigen, auf denen sie ihre Gegnerschaft gegen den Euro begründeten. Und noch in seinem eigenen Präsidentschaftswahlkampf vor zwei Jahren kündigte Chirac den Franzosen zum Schrecken der europäischen Nachbarn an, er werde ein Referendum über den Euro organisieren.

Kaum war er gewählt, änderte der unberechenbare Chirac seine Linie. Die angekündigte Volksbefragung ist inzwischen völlig in der Versenkung verschwunden. Über Europa, das hat dieser Wahlkampf erneut gezeigt, diskutiert Chirac nicht. Er benutzt es. Dorothea Hahn