Kinshasa beäugt seine neuen Herren

■ Kabilas Allianz etabliert sich langsam und sehr vorsichtig in der Hauptstadt

Kinshasa (taz) – Seit Tagen verluden sie das Schmuggelgut und verschifften es ans andere Ende des Flusses. Im Botschaftsviertel von Gombe, am Strand von Kinshasa, hatte sich ein illegales Dorf gebildet: Rund 2.000 Menschen lebten da vom Transport geplünderter Waren ins Nachbarland Kongo-Brazzaville. Jetzt haben Soldaten der AFDL das ganze Quartier hermetisch abgeriegelt, das Dorf ist geräumt, der kleine Grenzverkehr ist gestoppt. Der Grund: Präsident Laurent-Désiré Kabila ist da.

Kabila hat sich in der Residenz des früheren Premierministers, General Likulia Bolongo, in Gombe niedergelassen. Unweit liegt das Hotel Intercontinental, das die obersten Stockwerke an die Allianz abgegeben hat. Nach einem ersten Treffen zwischen einer AFDL-Delegation und dem Arbeitgeberverband stehen nun brandneue Geländewagen vor dem Hotel, wo aber noch immer keine neue kongolesische Flagge weht – blau mit gelben Sternen. Der Hoteldirektor lacht: „Wir haben die zairische Flagge eingeholt und wollten sie durch eine des Kongo ersetzen. Wir fanden in der ganzen Stadt aber keine.“

Kabila kam trotz der noch unstabilen Sicherheitslage am Dienstag abend in Kinshasa an. Er habe es vorgezogen, diskret in der Nacht anzukommen, heißt es, und nicht im Triumph durch die Hauptstadt zu fahren, weil er Angst vor Anschlägen habe. Noch immer gibt es in einigen Vierteln, besonders in Limete, der Hochburg des Oppositionsführers Etienne Tshisekedi, nachts Plünderungen – unklar ist, wer dahinter steht. Und noch immer werden Anhänger Mobutus von der Bevölkerung gelyncht und verbrannt, wobei Allianzsoldaten zusehen. Dienstag nacht wurden zwei Franzosen von Unbekannten vor ihrer Fabrik erschossen. Die Allianz hält auch den Hafen mit der Begründung geschlossen, die meisten wichtigen Führer der alten Armee hätten sich nach Brazzaville abgesetzt.

Kabila kam, um seine Regierung vorzustellen, aber bis gestern nachmittag war das noch nicht erfolgt. Seit dem Morgen schon fuhren Anhänger Tsehisekedis durch das Zentrum von Kinshasa und skandieretn dessen Namen – sie hoffen, daß ihr Führer Premierminister wird. Der Generalsekretär der Allianz, Déogratias Bugera, sagt der taz ausweichend: „Unser Zuiel ist es, eine neue politische Struktur zu schaffen. Um dieses Land, das im totalen Chaos versunken ist, auf einen demokratischen Weg zu bringen, braucht es Zeit und eine neue Generation von Politikern mit anderen Visionen, die unberührt vom alten System sind. Wir wissen, daß Tshisekedi viel Vorarbeit geleistet hat, und dafür respektieren wir ihn auch.“

Oppositionszeitungen meinen hingegen, Kabila habe mit seiner Rebellion nur die Saat geerntet, die die zivile Opposition mit friedlichen Mitteln gesät habe. Die Zeitung Le Palmarès schreibt, die Bevölkerung in Kinshasa sei bereits jetzt enttäuscht; die Allianz bestehe hauptsächlich aus Exilzairern, die keine Ahnung hätten. Anhänger Tshisekedis stoßen Drohungen aus: „Wenn Tshisekedi nicht beteiligt wird, werden wir alle Franzosen töten, die hier sind. Dafür ist dann die Allianz verantwortlich“, sagt einer.

Eine gewisse Berührungsangst mit den neuen Führern verhehlt hier niemand. Neue Gesichter sind nach Kinshasa gekommen, die alten Beziehungen taugen nichts mehr, und auch in der Geschäftswelt herrscht eine gewisse Ratlosigkeit. Der Vertreter einer internationalen Fluggesellschaft klagt: „Die Allianz hat uns zwar in einem ersten Treffen gebeten, ihr bei der Versorgung der Stadt zu helfen, und das wäre absolut in unserem Interesse. Als wir aber mit Vorschlägen für die Umsetzung kamen, wurden wir gebremst: Unser Gesprächspartner sei noch nicht in Kinshasa.“

Andrea König