Flurbereinigte Chemie

■ Degussa-Konzern geht an die Veba. Bank und Versicherung im Hintergrund

Berlin (taz) – Einer der traditionsreichsten deutschen Chemie- und Metallkonzerne hat de facto seine Eigenständigkeit verloren und wird künftig vom Mischkonzern Veba AG beherrscht. In aller Stille hat der Riese aus Düsseldorf (Aral, PreussenElektra, Vebacom) verhandelt und 36,4 Prozent der Aktien an der Degussa gekauft. Weil der Rest der Aktien der 1873 gegründeten „Deutschen Gold- und Silber-Scheideanstalt“ auf Tausende von kleinen Aktionären verteilt ist, hat die Veba künftig auf den Hauptversammlungen der Degussa wohl das Sagen. Die Aktien waren der Veba nach eigenen Angaben 2,9 Milliarden Mark wert. Kredite muß sie dafür nicht aufnehmen, schließlich hat allein die Stromsparte PreussenElektra im letzten Jahr 1,5 Milliarden Mark Gewinn gemacht.

Die Veba will ihren Chemiebereich vergrößern. Der ist bisher unter dem Dach der Hüls AG zusammengefaßt und mit einem Umsatz von gut zehn Milliarden Mark im Jahr etwas schwächlich im Vergleich zu Bayer, BASF oder Hoechst – die sind fünf- bis sechsmal so groß. Nun kommt die Degussa mit rund 26.000 Beschäftigten und einem letztjährigen Umsatz von 13,8 Milliarden Mark hinzu.

Hüls fiel der Öffentlichkeit vor allem durch illegale Gifteinleitungen in den Rhein auf, stellt aber auch allerlei Chemikalien für Farben oder Kunststoffe her. Degussa ist Weltspitze unter anderem bei Autokatalysatoren, Ruß für Reifen, bei der Herstellung von Edelmetallen und bestimmten Arzneimitteln. So kommt die Veba den Chemieriesen nicht direkt ins Gehege, wird aber auf bestimmten Gebieten doch zum angestrebten „global player“. Die Überschneidungen zwischen Degussa und Hüls schätzte der Veba-Vorstandsvorsitzende Ulrich Hartmann gestern nur auf rund 15 Prozent: „Das Thema Arbeitsplatzabbau hat beim Kauf nicht im Fokus gestanden.“

Anders als bei der Stahlfusion Krupp-Thyssen mußte Veba-Chef Hartmann keine Banken hinter sich scharen, um mit milliardenschweren Übernahmegeboten Kleinaktionären teuer ihre Aktien abzukaufen. Die Anteile kamen von nur drei feinen Adressen der deutschen Wirtschaft: der Chemiefamilie Henkel, der Dresdner Bank und dem Versicherungsriesen Münchner Rück. Praktisch für die Verhandlungen: Ulrich Hartmann ist nebenbei auch Vorsitzender des Aufsichtsrats der Münchner Rück. Außerdem bleibt die Degussa trotzdem im Einflußbereich der Banken und Versicherungen. Diese beiden Branchen beherrschen über die Stimmrechte von Kleinaktionären in ihren Depots die Veba.

Die Flurbereinigung in der Chemie hat gestern viele Aktienkurse steigen lassen. Die Börsenhändler spekulieren, daß die Banken sich in nächster Zeit von weiteren ihrer zahlreichen Beteiligungen trennen und so weitere Konzernhochzeiten ermöglichen. Reiner Metzger