■ Bosnienflüchtlinge: USA kritisieren deutsche Politik
: Warnung vom großen Onkel

Nun hat also auch der große Onkel in Washington warnend den Zeigefinger erhoben – und die Fußtrittpolitik des deutschen Innenministers und der Länder gegen bosnische Kriegsflüchtlinge kritisiert. Unser Bundeskanther konterte – und verbat sich solch unqualifizierte Ratschläge der Clinton-Regierung.

Der Vollständigkeit halber sei festgestellt, daß die Flüchtlingspolitik der USA in den letzten Jahren auch nicht gerade vorbildlich war. Doch das ändert nichts daran, daß die Warnung aus dem US State Department berechtigt ist. Die Rückkehr- und Abschiebestrategie der deutschen Behörden verschärft derzeit die ohnehin angespannte Situation in einem Land, das sich zwar in einem Zustand des Nicht-Krieges befindet, aber von Frieden weit entfernt ist.

Für solche geopolitischen Details interessieren sich derzeit weder das Bundesinnenministerium noch diverse Innenminister der Länder, die in diesem Fall de facto Außenpolitik machen, über die sich dann der Bundesaußenminister und der Bundesverteidigungsminister der Form halber aufregen dürfen – am besten im Ausland.

Diese offensichtliche Konfusion bei der Arbeitsteilung des Kabinetts hat aber nicht nur Konsequenzen für Bosnien, sondern auch für das innenpolitische Klima in der Bundesrepublik. Die hat ja im Vergleich zu anderen europäischen Ländern bei der Aufnahme bosnischer Flüchtlinge durchaus Erstaunliches geleistet. Die politische Bereitschaft, über 300.000 Menschen Zuflucht zu gewähren und die entsprechenden Kosten zu tragen, ging einher mit einer gesellschaftlichen Bereitschaft, Unterstützung zu leisten. Angefangen von der Möbelspende über den Sprachkurs bis hin zur Bürgschaft für einzelne Flüchtlinge. All das in einer Zeit, in der Solidarität permanent zur Mangelware erklärt wird.

Politische Signale und gesellschaftliche Akzeptanz sind eng miteinander verknüpft – gerade wenn es um Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik geht. Und nichts scheint den Kanthers, Becksteins und Schönbohms derzeit – neben der schnellstmöglichen Rückführung der Flüchtlinge – mehr am Herzen zu liegen, als die Solidarität der letzten Jahre zu einem versehentlichen Anfall von Samaritertum und die bosnischen Flüchtlinge quasi über Nacht zu einer unerträglichen Belastung der Staatskasse zu erklären. Die muß man notfalls mit einem nächtlichen Polizeieinsatz entfernen. Andrea Böhm