Börsengang mit großem X

TV-Sender Pro 7 geht im Juli an die Börse. Der Chef rechnet sich das Unternehmen dafür schön, doch Leo Kirchs Schatten läßt sich nicht wegreden  ■ Von Lutz Meier

Berlin (taz) – Georg Kofler, Chef des Fernsehsenders Pro 7, hat einen Lieblingsbuchstaben: das X. „Eine Milliarde plus x“ wolle er erlösen, verbreitete er, als er im Februar den Börsengang von Pro 7 ankündigte. Um „das Zehnfache plus x“ will Leo Kirchs Ex-Bürochef die Aktie überzeichnet sehen, die zum 7. Juli dieses Jahres emittiert wird. Doch es könnte sein, daß es den Ankündigungen des Senderchefs ergeht wie seinen TV- Formaten mit dem magischen X im Titel. „Talk X“ beispielsweise floppte bodenlos und wurde nach wenigen Sendungen eingestellt.

Gestern stellte sich Kofler, der „nur zweistellige Umsatzrenditen sexy“ findet, in München vor die Presse, um ein glänzendes Jahresergebnis zu verkünden: eine Umsatzrendite von zehn Prozent vor Steuern bei einem Konzernumsatz von 1,69 Milliarden Mark (plus fünfzehn Prozent). Einmalig in der an Dauerverluste gewöhnten deutschen Privatfernsehbranche. Der Konzernüberschuß kletterte auf 169,2 Millionen Mark (plus 76 Prozent).

Solche Daten befriedigen zwar Koflers Zahlenfetischismus, sind aber schnell mit ein paar glücklichen Rechenoperationen erklärt, die so im Jahr nach dem Börsengang nicht wiederkommen werden: Nachdem Kofler im vergangenen Jahr seine Verlusttochter Kabel 1 wirtschaftlich mit der Pro Sieben Media AG verschmolzen hatte, konnte er einen Verlustvortrag von 232,9 Millionen Mark in die Steuererklärung schreiben und somit die Steuerlast zusammenschrumpfen lassen.

Auch wenn Pro 7 mit 233 Millionen Mark Vor-Steuer-Gewinn (ohne Kabel 1) neben Bertelsmanns RTL der einzige gewinnbringende Fernsehsender in Deutschland ist: Die Anlaufverluste sind noch nicht eingespielt. Pro 7 drücken eine Schuldenlast von 800 Millionen Mark und Gesamtverbindlichkeiten von 1,3 Milliarden Mark (vor allem für Filmrechte).

Dennoch bleibt Pro 7 vorerst die beste Geldmaschine in der Kirch-Familie. Leo Kirchs klamme Kassen soll auch der Pro-7-Börsengang ein wenig füllen helfen. 750 Millionen Mark sollen den Kirch-Schatullen zufließen, nur 300 Millionen bekommt Pro-7- Chef Kofler, der den Eigenkapitalanteil von derzeit 17 Prozent auf 25 Prozent erhöhen will.

Kirchs Familie nämlich wird den Sender auch nach dem Börsengang beherrschen – offener als je: Kirch-Sohn Thomas wird über 60 Prozent bestimmen, 40 Prozent hält der Handelskonzern Rewe. Die Aktionäre bekommen nur stimmrechtlose Vorzugsaktien, die sie von den Launen Kirchs abhängig macht – und die sind das große X beim Börsengang.

„Das Medienhaus mit Phantasie“, nennt sich Pro 7 selbst in der Börsenkampagne, doch Phantasie verbrauchte Kofler vornehmlich bei seinen Prophezeiungen für die glänzenden Gewinne der Aktionäre, die er gestern wiederholte. Das fängt schon bei der Aktienkampagne an: Um die erwünschten US-Anleger für die Aktie zu begeistern, rechnet Kofler den Unternehmenswert bis auf taumelnde drei Milliarden Mark hoch. Bei vermutlich 57 Mark Ausgabekurs für die 17,5 Millionen Aktien (Nennwert: fünf Mark) ist Pro 7 wohl höchstens zwei Milliarden Mark wert. Da sah die Börsen-Zeitung „die Luft dünn“ werden fürs Kurspotential und fand die Ausgabebanken auf einer „gefährlichen Gratwanderung“ zwischen Kirchs Appetit und den Perspektiven der Aktionäre. „Spekulativ“ nannten Analysten das Pro-7-Investment im manager magazin.

Der steigende Hunger des TV- Magnaten Kirch ist das Problem, bezieht doch das einseitig als Spielfilmsender positionierte Haus bis zu vier Fünftel seines Filmstoffs aus den Kühlhäusern des Eignerpapas.

Ohnehin steigen Filmpreise derzeit ins Ungewisse, und für Leo Kirch könnte jederzeit wieder Sat.1 der Lieblingssender werden – oder ein Drittkunde bringt mehr Geld in die Kasse.

Wenn Kirch die Filmpreise nur um 25 Prozent anhebe und der Zuschauerzuspruch um einen Prozentpunkt nachlasse (0,4 Prozentpunkte waren es schon im 1. Quartal), dann, so errechnete die Konkurrenz vom Bertelsmann-Konzern, könne der Jahresgewinn sich rasch in einen 104-Millionen- Mark-Verlust umdrehen. Kofler ficht die Kritik, gegen die er sogar vor Gericht ging, nicht an: Er findet die Pro-7-Aktie nach wie vor „ein sexy Papier“.