Geißler fordert frauenspezifisches Asyl

■ Wenn Frauen verfolgt werden, weil sie Frauen sind, „muß das ein Asylgrund“ sein, sagt der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende. Iranerin wurde ausgepeitscht, weil sie mit Männern Auto gefahren war: Asyl abgelehnt

Bonn (taz) – Der CDU-Politiker Heiner Geißler hat sich dafür ausgesprochen, die „staatlich begründete Verfolgung von Frauen“ als Asylgrund anzuerkennen. Er übte in diesem Zusammenhang scharfe Kritik an der „unerträglichen Nonchalance“, mit der „deutsche Behörden und Gerichte“ oftmals Tatbestände wie drohende Folter, Todesstrafe und Vergewaltigung in Verfolgerstaaten als kulturell oder religiös begründet und somit als hinnehmbar beurteilten.

Geißler unterstrich seine Position mit dem Beispiel einer Asylbewerberin aus dem Iran. Die Lehrerin war in ihrer Schule ausgepeitscht worden und hatte dabei ein Auge verloren, weil sie mit männlichen Kollegen gemeinsam in einem Auto gefahren war. Nach iranischem Gesetz ist das verboten.

Geißler zufolge lehnte ein deutsches Gericht den Asylantrag der Frau mit der Begründung ab, eine Behandlung wie ihr drohe im Iran jedem, der gegen die geltende Rechtsordnung verstoße. „In diesem Fall droht es eben nicht jedem, sondern ausschließlich einer Frau“, sagte dazu der stellvertretende Unionsfraktionschef. „Nach meiner festen Überzeugung muß das ein Asylgrund sein.“ Verschiedene Frauen- und Menschenrechtsorganisationen in der Bundesrepublik fordern schon seit längerer Zeit die Anerkennung von frauenspezifischer Verfolgung als Asylgrund.

Heiner Geißler äußerte seine Position im Rahmen einer Buchpräsentation. Er stellte gestern in Bonn einen „Grundrechte-Report“ von vier Bürgerrechtsorganisationen vor. Darin prangern die Autoren staatliche Verstöße gegen die Bürger- und Menschenrechte in Deutschland an. Die Humanistische Union, das Komitee für Grundrechte und Demokratie, die Gustav-Heinemann-Initiative und der Bundesarbeitskreis kritischer Juragruppen wollen den Report als „alternativen Verfassungsschutzbericht“ verstanden wissen. Er soll künftig jedes Jahr vorgelegt werden. Die Organisationen seien „keine, bei denen CDU-Leute ein- und ausgehen“, sagte Heiner Geißler. „Möglicherweise werde ich Anfragen bekommen, warum ich so etwas mache.“ Er werte die Veranstaltung jedoch als „Beitrag zur demokratischen Streitkultur“, auch wenn er mit zahlreichen Beiträgen in dem Report nicht übereinstimme.

In dem Buch werden in kurzen Beiträgen konkrete Fälle behandelt, in denen von staatlicher Seite – sei es durch Behördenwillkür, sei es durch Tendenzen der Gesetzgebung – gegen Geist und Buchstaben der Verfassung verstoßen wurde. Herausgeber Till Müller-Heidelberg von der Humanistischen Union warf bei der Präsentation der Bundesregierung vor, sie plane einen „frontalen Angriff gegen den Rechtsstaat“. Er bezog sich dabei auf die beabsichtigte Entwicklung der europäischen Polizeibehörde Europol, deren Europapolizisten Immunität genießen sollen. Damit solle eine Polizei ohne strafrechtliche Verantwortung geschaffen werden. Es gehöre zum Kernbestand eines Rechtsstaates, „daß kein staatlicher Amtswalter unkontrolliert seine Amtsmacht ausüben darf“.

„Gefährdungen für die Bürger- und Menschenrechte und insbesondere für die Grundrechte unserer Verfassung gehen in erster Linie von staatlichen Institutionen aus“, sagte Till Müller-Heidelberg. Während die staatlichen Verfassungsschutzbehörden alljährlich die Gefährdung der demokratischen Grundordnung durch „einige Extremisten“ deutlich zu machen versuchten, sei die Realität aber genau umgekehrt. Bettina Gaus