Anschlag auf Marlene

■ „Alles Quatsch!“: Ein Abend mit Marie Mäkelburg im Schmidt

Eine Diva ist eine Diva isteine Diva und keine schlechte Imitation. Marlene Dietrich war eine Diva und ein Star. Und das hat überhaupt nichts mit Psychologie oder irgendwelchen betulich-biographischen Richtigstellungen zu tun. Alles Quatsch! – und bis dahin stimmt die Rechnung der gleichnamigen Produktion des Schmidt Theaters. Bis hierhin und nicht weiter. Denn dieser „Abend mit Marlene Dietrich“, arrangiert und inszeniert von Nico Rabenald und Martin Lingnau, liefert ihn nämlich leider doch – den bornierten Anschlag auf die Nähe des berühmten Stars.

Als Marlene Dietrich verkleidet sitzt Kerstin Marie Mäkelburg auf einer kleinen Landschaft grauer Koffer und schmollt. Sie ruft nach Maria – „Mein kleines Baby“ist die erste Gesangsnummer –, Vorwürfe folgen. „Sie zieht alles in den Schmutz. Sie hat nichts verstanden.“Der Bezug auf die Tochter der Dietrich, auf deren Aufzeichnungen zum Leben der Mutter, ist unmißverständlich und setzt am Beginn des Abends eindeutige und zudem schlicht ärgerliche Signale. Denn wer die Rede aufs Innenleben der Diva bringt und ihr noch dazu Vokabeln wie Verrat in den Mund legt, der verteilt nicht nur die Plätze von Verstehen und Mißverstehen, sondern der kommt auch in die Schieflage einer Logik, die nur Freund oder Feind, nur oben und unten kennt. Bezeichnend ist außerdem, daß sich dieses Bild der unverstandenen Marlene für die Show in den eigenen Anspruch übersetzt, Zugriff auf die eine originale Legende zu haben – Marlene Dietrich im Schmidt Theater. Alles Quatsch! – ganz weit weg war sie und kaum noch zu erkennen.

Wie hinfällig und trivial dieser Versuch einer Imitation ist, das hat sich im Laufe des Abends dann von selbst und mit jeder neuen Gesangseinlage ergeben. Die Einstellungen des Scheinwerferlichtes, die nachlässig gekonnten Haltungen, die kleinen mimischen und gestischen Verschleifungen, die spröde Strenge, der Griff ins Haar – Kerstin Marie Mäkelburg trägt alles mit der Gleichen und zugegeben mutigen Hingabe ans Original vor. Nur will es nicht gelingen. Die Mimik der Diva, sie verzerrt und verliert sich auf dem Gesicht ihrer Darstellerin, gerät zur Maskerade. Je vorsätzlicher diese Imitation sich aufspielt desto offenkundiger wird sie – die Abwesenheit des Mythos Marlene Dietrich.

Was die Lieder und ihre Präsentation betrifft, gilt übrigens ähnliches. Der leise Spott und die tiefe Traurigkeit, die Lieder wie „The Ruins Of Berlin“oder „Wenn ich mir was wünschen dürfte“allein tragen können, sie verflüchtigen sich, sind als ein spezifischer Ton nicht ein einziges mal wirklich hörbar. Überhaupt hat die ausgebildete, aber doch eher einfache Stimme Mäkelburgs mit der subversiven Performance der Dietrich wenig gemeinsam. Und da hilft auch aller dramaturgische Nachhilfeunterricht nicht weiter. Schritt für Schritt, vom grauen Kleid (man stelle sich das kostümlich unsägliche Gegenteil zur Zeugin der Anklage vor), über Frack und Zylinder bis hin zum weißen Pelz – Marlene bleibt verschollen. Nur einmal, als sich hinter dem größten der Koffer das letzte Umkleideritual vollzieht, da wird etwas anderes hör- und sichtbar: Ein Projektor wirft ihr Bild auf die Bühne, dazu die Stimme der Dietrich, mehrfach ineinandergeschnitten. Man hört, wie sie es sagt – das Motto der Show. „Alles Quatsch.“Und das klingt dann plötzlich wegwerfend stolz und kühl. In diesem Moment entsteht so etwas wie ein kleine dramatische Lücke, durch die hindurch man an sie denken kann. Und für einen Augenblick ist die Bühne ein Spielfeld der Phantasie. Elisabeth Wagner