■ Rosi Rolands Bremer Geschichten: Dümmer als der Senat erlaubt
„Wenn der Vulkan zusammenbricht, ist das der Untergang Bremens, heißt es in Regierungskreisen“, stand es im Weser-Kurier am 28.11.1995. Und dann die brisante Schlußfolgerung: „Angesichts dieser Überlebensfrage werden Haushaltsrisiken als nachrangig bewertet.“
Nach Lektüre dieser Sätze schrieb der Verhandlungsführer in Sachen Vulkan des Finanzressorts, der Senatsrat Ulrich Keller, einen Brief an den Bürgermeister Scherf und seinen Senator Nölle, in dem er mitteilte, er könne die Verantwortung für die bremische Vulkan-Politik nicht mehr übernehmen. Es war die heiße Phase der Bemühungen, den Zusammenbruch des Konzerns zu verhindern. Begründung Kellers: „Nach dem heute im Weser-Kurier veröffentlichten Artikel hat Bremen nunmehr keine Verhandlungsposition mehr“, die Banken würden alle Risiken dem Land aufbürden, das sich als erpreßbar zu erkennen gegeben habe. Als der Konzern dann 1996 Konkurs anmelden mußte, war genau dies passiert: Alle Risiken, die die Banken im Sommer 1995 noch hatten, waren auf das Land übergegangen, mehr als 700 Millionen Mark werden an Bürgschaften etc für die Vulkan-Pleite fällig, kalkuliert man heute.
War die Weser-Kurier-Indiskre-
tionen wirklich dafür verantwortlich? Und wie kam sie zustande? Diese Fragen beschäftigen seitdem die Insider. Hatte ein Senator gequatscht? Gar der Bürgermeister? Auffällig ist, daß die Wertung, am Vulkan hänge der „Untergang Bremens“, so dummes Zeug ist, daß diese Bemerkung kaum jemandem „aus Regierungskreisen“zuzutrauen ist. Insbesondere das CDU-geführte Wirtschaftsressort dachte auch damals überhaupt nicht so. Daß „Haushaltsrisiken nachrangig“seien, dürfte Nölle nie und nimmer gesagt haben. Auch Scherf weiß in der Regel, was er sagt.
Wer also kann das so oder so ähnlich gesagt haben? Es gibt nur eine plausible Erklärung, will man nicht unterstellen, daß der Weser-Kurier diese Sprengsätze frei erfunden hat: In Spitzenkreisen der Verwaltung, zu denen Senatsrat Keller federführend gehört und gehörte, schimpfte man damals über die Senatoren, daß die zu weich seien gegenüber dem Vulkan und die Haushaltsrisiken geringer einschätzten als das Risiko, für die Arbeitslosigkeit von 5.000 Schiffbauern verantwortlich zu sein. Dabei wohnen die Hälfte sowieso in Niedersachsen, hatten die Experten kühl festgestellt. Was der Weser-Kurier „aus Regierungskreisen“kolportierte, entspricht ziemlich genau dem, was die Verwaltungs spitzen böse über „ihre“blöden Senatoren erzählten. Was da an Stimmung bei der Indiskretion rübergebracht wurde, verkürzt der Weser-Kurier in seiner Überschrift verräterisch: „Senat: 10.000 Arbeitsplätze wichtiger als der Haushalt“.
Gegenüber den Banken hätte der Verhandlungsführer Keller keine Mühe gehabt, das als vollkommenen Unsinn vom Tisch zu wischen. Deswegen mußte Senatsrat Keller seine Verantwortung nicht niederlegen. Aber weil die Senatoren die knallharte Verhandlungsposition der Verwaltungsfachleute von der Art der Vulkan ist eh nicht zu retten, der Haushalt ist wichtiger als die 3.000 Arbeitsplätze nicht mittrugen, wollte Keller die Verantwortung für die Vulkan-Verhandlungen mit mehr tragen.
Bleibt die Frage, wer die „Quelle“des Weser-Kurier für die platten Unterstellungen zu dem, was der Senat angeblich denkt, war. Spiel über Bande, findet Rosi Roland
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