Solarindustrie steht vor der Krise

■ Rohstoffmangel sorgt für steigende Preise bei Solarmodulen. Weltweit arbeiten Konzerne zusammen, um das Problem zu lösen. Einen Ausweg bietet eine neue Siliziumproduktion speziell für die PV-Industrie

Silizium gibt's wie Sand am Meer – sollte man meinen. Denn Sand, wie überhaupt der größte Teil unserer Erdkruste, besteht zur Hälfte aus Silizium, dem Stoff, aus dem Solarzellen sind.

Die Solarzellenindustrie bezieht ihren Stoff von der Elektronikindustrie, die ebenfalls auf hochreines Silizium für ihre Chips angewiesen ist. Im Vergleich zum Ausgangsmaterial, das für Solarzellen verwendet wird, muß das Silizium für die Chipproduktion sogar noch um einiges reiner sein – zum Glück für die Solarzellenhersteller. Diese konnten nämlich bisher mit den Reststoffen der Elektronikbranche ganz gut leben. Inzwischen verschiebt sich das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage zuungunsten der Photovoltaik. Die Verknappung kommt zum einen durch die gesteigerte Nachfrage seitens der Modulhersteller, andererseits durch einen Rückgang der Reststoffe durch vermehrtes Recycling innerhalb der Elektronikindustrie selbst. Zusätzlich ist die Chipherstellung in der Halbleiterindustrie effizienter geworden. Diese Entwicklung war abzusehen, und so wurde von einigen Modulherstellern bereits vor zwei Jahren darauf gedrängt, eine Lösung für das Problem zu suchen. Sowohl in den USA als auch in Japan haben sich im vergangenen Jahr Hersteller zusammengeschlossen, um gemeinsam einen Ausweg zu finden, da andernfalls das momentan gute Wachstum von jährlich etwa 20 Prozent ins Stocken käme – und zwar ziemlich bald. Die ersten Hersteller wie Siemens Solar oder AstroPower mußten ihre Preise bereits um 10 Prozent anheben.

Eine mögliche Lösung wäre der Aufbau einer Siliziumproduktion, die speziell für die Photovoltaikindustrie arbeitet. Nach Einschätzung von Ingo Schwirtlich von Bayer Solar würde sich eine solche Produktion bei Abnahmemengen ab 1.000 Tonnen pro Jahr rechnen. Dies entspricht in etwa dem weltweiten jährlichen Bedarf der gesamten Modulproduktion, der vom kalifornischen Marktforschungsinstitut Strategies Unlimited für 1996 mit 1.200 Tonnen angegeben wurde.

Neben Bayer gibt es noch weitere Firmen, die mit dem Gedanken spielen, in den neuen Markt der Solarsilizumherstellung zu investieren. Dazu gehören neben der amerikanischen Firma SiNaF und der italienischen EniChem vor allem die japanische Firma Kawasaki Steel, die einen neuen Produktionsprozeß mit Unterstützung staatlicher Forschungsgelder entwickelt hat. Nach Firmenauskunft könnte eine Pilotproduktion für Solarsilizium innerhalb der nächsten vier Jahre gebaut werden. Materialproben sollen bereits im nächsten Jahr erhältlich sein.

Wenn die japanische Regierung allerdings das laufende 70.000- Dächer-Programm wie geplant fortsetzt, wird es schon in den nächsten zwei Jahren eng. Bereits die kürzlich verkündeten Expansionspläne des japanischen Modulherstellers Kyocera, die ihre Produktion von 9 auf 36 Megawatt jährlich erhöhen wollen, werden nur umgesetzt werden können, wenn Kyocera entweder auf Kosten anderer Hersteller wächst oder eine neue Siliziumquelle erschlossen wird. Kein Wunder, daß an diesem Problem auf höchster Ebene zusammengearbeitet wird und Konkurrenten wie Siemens Solar, BP Solar und Solarex an einem Tisch sitzen.

Möglicherweise hat der italienische Hersteller Eurosolare, nicht zu verwechseln mit der europäischen Sonnenenergie-Vereinigung Eurosolar, einen Ausweg gefunden, die Zeit bis zu einer eigenständigen Solarsiliziumproduktion zu überbrücken. Eurosolare experimentiert mit der Anwendung von n-dotiertem Silizium, während üblicherweise nur p-dotiertes benutzt wird. Beide Siliziumarten fallen in der Halbleiterindustrie an, momentan wird allerdings nur das p-dotierte Silizium von der Solarindustrie gekauft und ist entsprechend teurer. Durch die Erschließung dieser neuen Materialquelle könnte sich Eurosolare zusätzlich einen entscheidenden Marktvorteil verschaffen. Bisherige Versuche seien vielversprechend, so Hartmut Nussbaumer, Physiker bei Eurosolare. Insbesondere Mischungen aus beiden Materialien würden im Test den Wirkungsgrad nicht vermindern.

Aber auch das n-dotierte Silizium wird nur eine Notlösung sein. Wenn die Photovoltaik in Zukunft einen merklichen Beitrag zur Stromversorgung liefern soll, muß ohnehin eine spezielle Solarsiliziumproduktion aufgebaut werden. Anne Kreutzmann

Die Autorin ist Geschäftsführerin des Solar-Verlages, der unter anderem das PV-Fachblatt „Photon“ herausgibt. Kontakt: Wilhelmstraße 34, 52070 Aachen, Tel. (0241) 47055-0, Fax (0241) 47055-9.