Unionisten verlieren in Belfast

■ Bei den nordirischen Kommunalwahlen lassen die Unionisten Federn, die IRA-Partei Sinn Féin legt zu

Dublin (taz) – Für Nordirlands Unionisten ist ein Alptraum wahr geworden: Bei den Kommunalwahlen am Donnerstag haben sie die Mehrheit im Belfaster Stadrat eingebüßt. Damit nicht genug: Die beiden großen unionistischen Parteien haben in ganz Nordirland Stimmen verloren, während der politische Flügel der protestantischen Terrororganisation Ulster Volunteer Force mindestens zwei Stadträte ins Belfaster Rathaus entsendet.

Das Endergebnis stand zwar bei Redaktionsschluß noch nicht fest, doch der eigentliche Gewinner der Wahlen war Sinn Féin, der politische Flügel der IRA. Die Partei hat im Vergleich zu den letzten Wahlen rund vier Prozent zugelegt und wird wahrscheinlich im nächsten Jahr aufgrund einer Übereinkunft mit der größeren sozialdemokratischen SDLP den Bürgermeister stellen. Das gute Wahlergebnis hat auch denjenigen in Sinn Féin und IRA den Rücken gestärkt, die für einen Waffenstillstand eintreten. Der SDLP-Stadtrat Alex Atwood warf Sinn Féin gestern allerdings Wahlbetrug vor. Er behauptete, viele Sinn-Féin-Wähler hätten mit Hilfe gefälschter Ausweispapiere mehrfach gewählt.

Der Unterhausabgeordnete der Ulster Unionist Party, Ken Maginnis, forderte sogar, die Wahlen für null und nichtig zu erklären. Die Tatsache, daß britische Regierungsbeamte ausgerechnet am Tag der Wahlen Gespräche mit Sinn Féin aufgenommen haben, sei ein Verstoß gegen das Wahlgesetz, sagte Maginnis.

Außerdem vermutet er, daß Sinn Féin von den Gesprächen zwischen der Nordirlandministerin Mo Mowlam und den Anwohnern der katholischen Wohngebiete, durch die jeden Sommer protestantische Paraden geführt werden, profitiert habe. Mowlam hatte versucht, im Vorfeld des protestantischen Nationalfeiertags am 12. Juli einen Kompromiß zu finden, doch angesichts der Unnachgiebigkeit des Oranier-Ordens, der die protestantischen Märsche organisiert, deutet alles auf eine erneute Konfrontation.

Der wirkliche Grund für das überraschende Wahlergebnis dürfte jedoch nicht Mowlam sein, sondern die Wahlbeteiligung: In vielen Wahlkreisen mit katholischer Mehrheit lag die Beteiligung bei weit über 80 Prozent, während im protestantischen Nord-Down nur 29 Prozent an die Urne gingen.

Zum erstenmal hat auch die interkonfessionelle Women's Coalition einen Sitz gewonnen: Ann Carr zieht in den Bezirksrat von Mourne ein. Ralf Sotscheck