FDP steuert an der Koalitionskrise entlang

■ Auf ihrem Bundesparteitag in Wiesbaden bekräftigen Liberale ihre Ablehnung einer Steuererhöhung. Plädoyer für eine Privatisierung der Bundesbeteiligungen

Wiesbaden (taz) – Der offizielle Schwerpunkt des Bundesparteitags der FDP ist die Verabschiedung der „Wiesbadener Grundsätze für eine liberale Bürgergesellschaft“. Das beherrschende Thema ist allerdings die Frage der Steuererhöhung und die dadurch ausgelöste Krise der Regierungskoalition in Bonn.

In seiner Eröffnungsrede bekräftigte der Parteivorsitzende Wolfgang Gerhardt gestern noch einmal die Ablehnung einer Steuererhöhung zur Gegenfinanzierung der Steuermindereinnahmen in diesem und im kommenden Jahr. Er plädierte statt dessen für eine „Rationalisierung des Staates und eine umfassende Privatisierung“. Über die Telekom hinaus müsse der Bund „noch entschlossener die Privatisierung seiner Unternehmensbeteiligungen und Immobilien in Angriff nehmen“. Zugleich ging der FDP-Chef davon aus, daß das Konvergenzkriterium der europäischen Währungsunion „mit 3,0 erreicht“ werde. „Wir wollen“, so erklärte Gerhardt den 663 Delegierten, „den Haushalt konsolidieren, Steuersenkungen vorantreiben und lehnen Steuererhöhungen ab.“

Zugleich wandte er sich allerdings dagegen, die Koalition in Frage zu stellen. Die FDP sei ein fairer, aber unabhängiger Partner. Man wolle den Erfolg der Regierungskoalition. Der FDP-Vorsitzende verwies jedoch in Richtung CDU/CSU darauf, daß eine Politik der Steuersenkung der zuletzt vereinbarten Koalitionsposition entspreche, die FDP also die gemeinsame Linie nicht verlasse. Es gäbe, so Gerhardts deutlicher Fingerzeig, „keinen Bundeskanzler Kohl ohne uns“.

Allerdings machte er auch in Richtung der eigenen Reihen klar, daß es Aufgabe der FDP sei, den Erfolg der Koalition sicherzustellen, „statt Irritationen in der Öffentlichkeit zu verbreiten“. Er bezog sich dabei offensichtlich auf öffentliche Äußerungen der letzten Zeit, in denen namhafte FDPler, unter ihnen der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Jürgen Möllemann, das Erscheinungsbild der Regierung angegriffen hatten. „Wir dürfen nicht“, meinte Gerhardt, „wöchentlich die Grunderkenntnisse liberaler Politik in Frage stellen.“

Gerhardt erhielt für seine Rede langanhaltenden Beifall. Jedoch war auch bereits im Vorfeld, entgegen seinen Willen, bei den Delegierten der Ruf laut geworden, die eigene Haltung zur Steuerpolitik noch einmal mit einem Parteitagsbeschluß zu bekräftigen. Dieser Beschluß, mit dem eine Steuererhöhung abgelehnt wird, soll heute beraten und verabschiedet werden. Die Parteiführung wollte ursprünglich einen solchen Beschluß vermeiden, weil er von dem Koalitionspartner CDU/CSU als Affront aufgefaßt werden könnte. Wohl um Schlimmeres zu verhindern, formulierte der Parteivorstand dann das Papier selbst.

In der Aussprache zur Rede des Vorsitzenden wurde von Delegierten sowohl die Befürchtung geäußert, daß die FDP in der Steuerfrage wieder in eine Glaubwürdigkeitskrise geraten könne, als auch die Kritik erhoben, daß sich die Partei programmatisch zu stark auf die Punkte Abgaben und Steuern einlasse. Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger erklärte, das Etikett Steuersenkungspartei bringe nur etwas, wenn es vollzogen und umgesetzt werde. Zugleich klagte sie das liberale Profil der Partei ein. Gerhardt hatte versprochen, daß er sich „persönlich“ dafür einsetzen wolle, „daß wir in dieser Legislaturperiode ein modernes Staatsbürgerrecht bekommen“. Die FDP schlage vor, daß Kinder der dritten Generation, die hier geboren werden, mit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten und ihnen die abschließende Entscheidung mit dem Erreichen der Volljährigkeit überlassen wird.

Außerdem setzte sich Gerhardt für ein „Einwanderungsbegrenzungsgesetz“ ein, mit dem die Zuwanderung so begrenzt werde, „daß wir sie verkraften können“. Dieter Rulff