Tony Blairs kalte Liebe

■ Auf dem EU-Gipfel in Noordwijk gibt sich die britische Regierung spröde

Noordwijk (taz) – Die 15 EU- Chefs suchen wieder einmal nach einem neuen Wort. „Wir brauchen eine Formulierung, die nicht nach Opt-out klingt“, sagte der niederländische Ministerpräsident Wim Kok in erstaunlicher Offenheit. Die Formulierung soll im künftigen EU-Vertrag das Recht Großbritanniens umschreiben, bei Integrationsschritten nicht mitzumachen. Opt-out rieche zu sehr nach Sonderstatus, meinte Kok.

Drei Wochen vor dem Abschluß des Maastricht-II-Vertrages machte der neue britische Regierungschef Tony Blair auf dem EU-Sondergipfel im holländischen Noordwijk klar, daß er in allen wesentlichen Fragen die Europapolitik seines Vorgängers John Major fortsetzen wird. Der Unterschied besteht lediglich darin, daß Tony Blair umgänglicher ist und den anderen Regierungen öfter erlauben will, ohne Großbritannien vorauszugehen. Vor allem die sozialdemokratischen Regierungschefs waren enttäuscht von Blairs Vorstellungen, nach denen sich eine europäische Beschäftigungspolitik ausschließlich auf die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes beschränken müsse. Zwar wiederholte Blair in Noordwijk sein Versprechen, London werde der europäischen Sozialcharta beitreten, um die „britische Isolation zu beenden“. Doch sein Pressesprecher präzisierte: „Das heißt nicht, daß die EU künftig neue soziale Maßnahmen beschließen kann, die der britischen Wirtschaft Lasten auferlegt.“ Die Sozialcharta, die von den anderen EU- Regierungen vor fünf Jahren in Maastricht beschlossen wurde und von der sich Großbritannien damals befreien ließ, ist eine sehr allgemein gehaltene Absichtserklärung, gemeinsame soziale Mindeststandards aufzustellen. Selbst konservativen Regierungen ging Tony Blair mit seinem rigiden Wirtschaftsliberalismus auf die Nerven. Bei der gemeinsamen Innen- und Außenpolitik machte Blair den Regierungschefs zumindest Hoffnung, daß er ihren Drang nach mehr Zusammenarbeit nicht behindern werde.

Beibehalten will London seine Grenzkontrollen. Die anderen EU-Ländern kompensieren den Wegfall der Grenzkontrollen mit verstärkten Personenkontrollen im Inland. Die Briten müßten also künftig einen Ausweis mit sich tragen. Bislang gibt es auf der Insel weder eine Ausweis- noch eine Meldepflicht. Alois Berger