Linke liegt in Frankreich vorn

■ Rechte verlieren, geringe Beteiligung

Paris (taz) – Knapp ein Drittel der Franzosen blieb gestern bei der ersten Runde der Parlamentswahlen zu Hause. Die Wahlenthaltung lag damit mit rund 32 Prozent fast so hoch wie im Rekordjahr 1988. Die Wähler entschieden sich für ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Rechten und Linken. Nach ersten Hochrechnungen bekamen die linken Parteien zusammen mehr als 40 Prozent (Sozialisten (PS) und Anhängsel 29 Prozent, KPF 9,6 Prozent), die Rechten (UDF, RPR und Unabhängige) erreichten zusammen knapp 37 Prozent der Stimmen. Die rechtsextreme Front National erreichte rund 15 Prozent und die stärkste der sechs konkurrierenden Öko-Parteien, Le Verts, 3,3 Prozent.

Die nie zuvor dagewesene Kandidatenflut – über 6.400 Personen, davon ein Viertel Frauen – ist damit entscheidend gelichtet. Nur wer im ersten Durchgang mindestens 12,5 Prozent der eingetragenen Wähler hinter sich hatte, darf am nächsten Sonntag in den zweiten Durchgang. Von den bis zu 30 Kandidaten pro Wahlkreis bleiben so maximal drei übrig. Die meisten Kandidaten der Öko-Gruppen, die beiden obskuren Sekten, die „Papa Partei“ und die „Union für die Vier-Tage-Woche“ sowie die radikale Linke, die nach den ersten Hochrechnungen auf knapp über 2 Prozent kam – sie alle werden außen vor bleiben.

Der knappe Vorsprung der Linken im ersten Wahlgang ist freilich keine Garantie für ihr Abschneiden im zweiten. Sowohl die hohe Stimmenthaltung gestern als auch die offene Frage, ob die Wähler der kleinen linken Organisationen im zweiten Durchgang bereit sind, „nützlich“ zu wählen, machen das Ergebnis unberechenbar. Sollte die Linke am kommenden Sonntag die Mehrheit erringen, ist nicht gesichert, daß sie auch die Mehrheit der Parlamentssitze haben wird. Das reine Mehrheitswahlrecht und die Zuschneidung der Wahlkreise, die traditionell die Konservativen begünstigt, verfälschen das Ergebnis. Die Konservativen können es sich leisten, über 150 Mandate zu verlieren, ohne ihre Mehrheit einzubüßen.

Dorothea Hahn