Niederlage für Irans Theokraten

■ Chatemi zum neuen Präsidenten gewählt

Teheran/Berlin (rtr/taz) – Die Islamische Republik Iran ist immer für eine Überraschung gut. Bei der Auszählung der Stimmen zur Wahl des neuen Staatspräsidenten stellte sich am Samstag heraus, daß der als moderat geltende Mohammad Chatemi einen Erdrutschsieg errungen hat. Alle iranischen Meinungsumfragen und die meisten internationalen Beobachter hatten ihm eine deutliche Niederlage gegen seinen Kontrahenten, den erzkonservativen Parlamentspräsidenten Ali Akbar Nateq Nuri, vorausgesagt. Statt dessen bescherten ihm die iranischen WählerInnen eine Zweidrittelmehrheit.

Nateq Nuri gestand noch während der Stimmenauszählung seine Niederlage ein und gratulierte Chatemi. Der Gewinner erklärte bisher nur, er sei „glücklich, aber entspannt“. Zumindest letzteres gilt nicht für weite Teile der Bevölkerung der Islamischen Republik. Sie feierten den Sieg ihres Favoriten mit Festen in ihren Wohnungen und sogar auf den Straßen – in dem Theokratenstaat eigentlich ein Verbrechen.

Für Chatemis Sieg sorgte eine ungewöhnlich hohe Wahlbeteiligung. 89 Prozent der wahlberechtigten 32 Millionen IranerInnen hätten ihr Recht wahrgenommen, hieß es von offizieller Seite. Augenzeugen bestätigten: Die Wahllokale waren rappelvoll, vor allem viele junge Leute hätten gewählt. Besonders sie erhoffen sich von Chatemi eine Lockerung der Sitten und der Bekleidungsvorschriften. Ob sich diese Hoffnungen bewahrheiten, wird Chatemi nach seinem Amtsantritt im August beweisen können.

International sind die Reaktionen auf Chatemis Wahl bisher eher verhalten. Aus Washington hieß es, man werde die Entwicklungen „genau beobachten“. Aus europäischen Hauptstädten gab es am Wochenende überhaupt keine offiziellen Reaktionen. Überraschend positiv klang es dagegen aus Jerusalem: Es gebe einen Hinweis darauf, daß das iranische Volk nicht isoliert leben wolle, sagte ein Sprecher von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Israel hoffe, daß Iran künftig seine Kraft zum Wohle des Volkes einsetze und nicht zur Entwicklung von Massenvernichtungswaffen. taud Bericht Seite 9