Von Windel bis Rolls Royce

■ Der neue „Leihführer“ist da: 500 Adressen für alles, was mensch leihen mag

Die Fahrt mit einem Rolls Royce sei angenehm, lauschig und ein geradezu „überwältigendes Erlebnis“. Das findet jedenfalls Bernd Dittmer und er spricht aus Erfahrung: Seit sieben Jahren bietet er Leihfahrten mit seiner Nobelkarosse an. Seine Adresse ist jetzt auch im neuen „Leihführer“zu finden, den der Bremer „Typo Verlag“herausgegeben hat. Auf 70 Seiten stehen fast 500 Adressen und Tips zum „mieten, chartern, engagieren und reparieren“.

Als „Leitfaden durch den Bremer Verleihdschungel“sei die Broschüre geplant, sagt Initiatorin Angela Meindl vom „Typo Surfer Verlag“. Ein halbes Jahr lang wühlte sie sich durch Bremens „Gelbe Seiten und war erstaunt darüber, „was man sich inzwischen alles leihen kann.“Leihen, so ihre Schlußfolgerung, könnte zum „Prinzip der Zukunft“werden. Denn Ausleihen verwirkliche vor allem eines: Moderne Lebensart geschickt mit Umweltschutz zu verknüpfen.

Und so findet sich neben dem eigentlich unerschwinglichen Rolls Royce auch der ökologisch wertvolle – weil müllsparende – Windelservice in der neuen Broschüre. „Leihen spart Abfall. Das ist einfach so“, sagt dazu Friedhelm Behrens, Sprecher der Bremer Entsorgungsbetriebe (BEB). Die BEB haben das Projekt deshalb finanziell unterstützt und ihr „know how“angeboten.

Angebote mit luxuriösem Charakter sind in der Broschüre auf den ersten Blick in der Überzahl: Smoking-Verleihe konkurrieren mit Frack-Läden, Künstleragenturen mit Privatköchen und Hochzeits-Karossen mit einem Hochzeits-Kutschen-Verleih. „So können Sie sich Dinge leisten, die sonst unerschwinglich wären und ihre Freizeit bunter gestalten“, schreiben dazu die Bremer Entsorgungsbetriebe ins Vorwort des Leihführers. „Luxus steht nicht im Vordergrund“, sagt aber Projekt-Initiatorin Angela Meindl vom Bremer Verlag „Typo-Surfer“. Im Kapitel „Veranstaltungen und Feste“fänden sich jede Menge Leihtips für Menschen, „die sich das Feiern in einem Lokal einfach nicht leisten könnten“, sagt sie. Zum Beispiel Leihangebote wie Biertische, Gläser oder ein billiger Diskjockey. Durch Glasverleih könne man außerdem „viel Müll sparen“. Auch Verpackungsmüll werde vermieden: Wer sich eine Bohrmaschine leihe, würde so einen kompletten Verpackungskarton einsparen. Werkzeug-Verleiher finden sich in der Broschüre ohnehin en masse: Von der Parkettschleifmaschine bis zum banalen Holzhobel ist in Bremen fast alles zu haben.

Doch wer etwas leihen will, muß einen langen Atem haben: Unter dem Stichwort „Privatköche“findet sich in der Broschüre zum Beispiel eine Privatnummer: Doch der „Privatkoch“ist leider längst verzogen. Was sich also hinter dem informellen Zusatz „spanische Küche“versteckt, bleibt im Verborgenen. Auch das Chartern eines Barkeepers gestaltet sich schwierig: Wer die angegebene Nummer wählt, kann zwar Künstler, Gaukler und Jongleure mieten – „aber Barkeeper, da müßte ich nochmal horchen“, sagt die Frau am anderen Ende der Leitung – fünf Stunden später hat sie immer noch nicht zurückgerufen.

„Der Werkzeugladen“ist da auskunftsfreudiger: Bohrmaschinen kosten dort zum Beispiel 15 Mark pro Tag. Wer mehrere Werkzeuge ausleihen will, zahlt trotzdem nur eine Kaution von 50 Mark. Auch der Snow-Board-Laden steht sofort am Telefon mit Rat und Tat zur Seite: Anfänger-Bretter samt Stiefel für rund 200 Mark pro Woche hat er im Angebot. Wer das Set später kaufen will, dem wird das Leihgeld einfach vom Kaufpreis abgezogen.

Mit solch einem Deal würde Bernd Dittmer mit seinem Rolls Royce so seine Schwierigkeiten haben. Wer die Karosse mietet, muß sogar auf den hinteren Plätzen sitzen bleiben. Dittmer macht selber „auf Chauffeur, daß das klar ist“, sagt er und schwärmt von seinen Fahrten nach Hamburg zum Musical samt Zwischenstopp mit eingebautem Sektumtrunk. Der herausgebende Typo-Surfer-Verlag nennt diese Touren für bis zu 1.000 Mark schlicht: „Die Erfüllung eines langersehnten Traumes“. kat

Der neue Bremer „Leihführer“ist in den Betriebshöfen der Bremer Entsorgungsbetriebe, Buchhandlungen und Zeitschriftenläden für 5 Mark oder direkt beim Verlag „Typo Surfer“, Vor dem Steintor 151, (plus Versandkosten von 3,20 Mark) zu erwerben. Auch in Bibliotheken soll er bald auszuleihen sein.