■ Nachschlag: Die Tanzcompagnie Rubato im Theater am Halleschen Ufer
Nachschlag
Die Tanzcompagnie Rubato im Theater am Halleschen Ufer
Aus „Verschlagenes Wasser“ Foto: Thomas Aurin
Ein Unterarm schert aus, ein Ellbogen rammt das Bauchfell des Nebenmannes, abrupt verschwindet dessen Grinsen, sein Rumpf klappt zusammen, sein Arm schnellt vor, boxt in den Bauch der Nächsten, die sich krümmt, Nummer vier haut und so fort. Wie die Orgelpfeifen haben sich die vier Tänzerinnen und drei Tänzer der Compagnie Rubato aufgebaut, um dies einfache Prinzip der Kettenreaktion zu demonstrieren.
Geheimnisvoller als die Bewegungs-Groteske entwickelten sich Korrespondenzen im Stück „Verschlagenes Wasser“, wenn aus gegenläufigen Sequenzen eine gemeinsame Struktur aufscheint, die die Tänzer trägt wie ein Fluß die wechselnden Spiegelungen des Ufers. Dann bildeten die sieben Einzelbilder Ketten, Linien und Kreise, die den weiten Raum der Bühne am Halleschen Ufer umfaßten und sich wieder zu kleineren Feldern zusammenzogen.
„Verschlagenes Wasser“ entstand nach einem Konzept des Rubato-Duos Jutta Hell und Dieter Baumann für den Kultursommer Rheinland-Pfalz. Wenn es ab Juli open air in den Häfen von Ludwigshafen, Mainz und Koblenz aufgeführt wird, unterlegen die harten Industrielandschaften die menschlichen Bewegungen sicher mit einer Spannung, die am geschützten Bühnenort fehlte. Denn da das Fließen und Durchlassen der Energie sowieso im Zentrum des Tanzes steht, bleibt die motivische Verbrämung etwas dürftig.
Im Theater verlor die Choreographie oft auch die Kraft, die Zuschauer mit auf den treibenden Strom zu nehmen, wenn sich die ganze Compagnie in synchronen Schwüngen fand und Wolfgang Bley-Borkowskis Synthesizer-Wogen fett überschwappten. Ließ der Komponist dagegen kleine Wellen von den beiden Pianistinnen Bettina Koch und Annun Matteucci kreuz und quer über die Klaviertasten jagen, nahm auch die Überraschungsfähigkeit des Tanzes zu. In einem Kauderwelsch aus Artistik, Groteske und Pantomime entwickelte sich in Duos und Terzetten oft ein brüchiges Bewegungsidiom, das seinen Reiz aus der Unvorhersehbarkeit bezog. Denn in der Ausdifferenzierung der Bewegung und nicht in den szenischen Bögen liegt die Stärke von Rubato. Katrin Bettina Müller
Theater am Halleschen Ufer (32), 27. Mai bis 1. Juni, 21 Uhr
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