„Die Putzkampagne wird verpuffen“

■ Drei Senatoren diskutieren über den Putzstandort Berlin

Ist der Dreck in der Stadt wirklich das drängendste Problem Berlins? „Keines der Probleme der Stadt ist so nach vorn gepuscht worden wie dieses“, stellte die frühere taz-Chefredakteurin Georgia Tornow zu Beginn der Diskussion über die Senatsaktion „Sauberes Berlin“ fest. Der Putzwahn sei eine „Ersatzhandlung“ der Politiker.

Gleich drei SenatorInnen hatte es auf Einladung von Spiegel special auf das Podium in den staubigen Rohbau am Potsdamer Platz gedrängt. Doch davon, daß die Große Koalition im siebten Jahr vom Putzfimmel geeint werde, wie der grüne Oppositionschef Wolfgang Wieland meinte, konnte keine Rede sein. Die Senatsmitglieder verbinden mit der Wisch- und-weg-Kampagne recht unterschiedliche Vorstellungen. Justizsenatorin Lore-Maria Peschel- Gutzeit (SPD), die im vergangenen Sommer als erste nach den Putzkolonnen gerufen hatte, kritisierte die Schieflage der Debatte. Der Tenor, daß mit dem Dreck auch Menschen weggewischt werden sollten, sei von ihr niemals beabsichtigt worden. Sie distanzierte sich entschieden von Landowskys Spruch, daß „dort, wo Müll ist, Ratten sind, und daß dort, wo Verwahrlosung herrscht, Gesindel ist“.

Um die von Innensenator Jörg Schönbohm geforderte Hauptstadtfähigkeit geht es Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) nicht. Ihn bewegt vielmehr die Frage, warum die Bürger mit dem öffentlichen Raum zunehmend gleichgültig und zerstörerisch umgehen. Sein Horrorszenario: Die, die es sich leisten können, ziehen sich in die Vororte und die privaten, sicheren Einkaufszentren zurück. Der öffentliche Raum dagegen werde weiter verwahrlosen. Strieder will dem Dreck vor allem mit besserem Management der BSR beikommen: Statt für turnusmäßige Reinigung plädiert er für flexible, schmutzfaktororientierte Sofortwäsche. Strieder entlarvte die Bürokratie als wahren Feind der Sauberkeit: Jahrzehntelang habe sich die BSR für die Beseitigung von Hundehaufen nicht zuständig gefühlt, weil diese laut Straßennutzungsgesetz dem Hundehalter obliege. Dieser unsinnigen Interpretation habe der Senat jetzt ein Ende bereitet.

Zum Himmel stinken aber nicht nur die Hundehaufen, sondern stinkt auch die Ungleichbehandlung, mit der Schmutzfinken verfolgt werden, stimmten Georgia Tornow und die Justizsenatorin überein. Während jugendliche Graffiti-Sprayer gnadenlos verfolgt werden, bleiben die Heerscharen der Hundebesitzer unbehelligt, wenn sie die Haufen ihrer Köter nicht beseitigen. Hundehalter sind eben eine Wählerklientel, die die Große Koalition keinesfalls verärgern will. Deshalb ist nicht zu erwarten, daß der Einsicht von Peschel-Gutzeit auch Taten folgen werden. Dieses Schicksal prophezeite Wieland der ganzen Putzkampagne: „Immer wenn Sozialdemokraten brüllen: ,Jetzt geht's looos!‘, passiert nichts. Die Kampagne wird verpuffen.“ Dorothee Winden