SPD: Sechs Pfennig für die Umwelt

■ Sozialdemokraten legen eigenes Konzept für die große Steuerreform vor. Lafontaine setzt gegen Schröder ein bißchen Ökosteuer durch und will Schlupflöcher schließen. Durchschnittsverdiener zahlt 2.500 Steuermark weniger

Bonn (taz) – Die SPD hat gestern das Konzept einer weitgehend aufkommensneutralen Steuerreform vorgelegt. 78 Milliarden Mark im Jahr will die Partei mit dem Reformwerk umschichten. Arbeitnehmer und Familien sollen im Schnitt um 2.500 Mark pro Jahr entlastet werden. Die Lohnnebenkosten sollen um zwei Prozentpunkte sinken. Um die Reform zu finanzieren, schlägt die SPD unter anderem die Erhöhung der Mehrwertsteuer um ein Prozent sowie den Einstieg in die Ökosteuer vor.

Die Mineralölsteuer soll um sechs Pfennig pro Liter angehoben werden. Für einen Durchschnittsautofahrer bedeute das eine Zusatzbelastung von 72 Mark, sagte SPD-Chef Oskar Lafontaine. Der Parteichef hat sich damit gegen den niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder durchgesetzt, der sich immer gegen einen Einstieg in die Ökosteuer ausgesprochen hatte. Schröder, der die Reform gestern zusammen mit Lafontaine und dem nordrhein-westfälischen Finanzminister Heinz Schleußer präsentierte, lobte das SPD-Konzept als „ausgewogen“, „wirtschaftsfreundlich“ und vor allem als etwas, „das geht“.

Den Eingangssteuersatz will die SPD in einem ersten Schritt auf 22 Prozent senken. Mittelfristig soll er auf 15 Prozent fallen, sofern dies die Haushaltslage hergebe. Entgegen den Erwartungen legte sich die SPD nicht auf eine Senkung des Spitzensteuersatzes fest. Lafontaine nannte entsprechende Forderungen „unsinnig“. In vielen europäischen Ländern wie etwa Schweden, Belgien sowie den Niederlanden seien die Spitzensteuersätze höher. Lafontaine sagte aber auch: „Wir werden uns in dieser Frage auf die Koalition zubewegen.“ Voraussetzung sei jedoch die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage, also das Stopfen von Steuerschlupflöchern.

Hier hat die SPD einen Katalog mit 58 unterschiedlichen Maßnahmen zusammengestellt, mit dem rund 40 Milliarden Mark zusätzliche Einnahmen hereinkommen könnten. Die Palette reicht von der Aufhebung des Freibetrages für Abfindungen über die Verlängerung der Spekulationsfrist beim Verkauf von Immobilien und Wertpapieren bis zur Streichung von Privilegien, etwa für Landwirte. Insgesamt will die SPD Bürgerinnen und Bürger um 7,5 Milliarden Mark entlasten, sagte NRW-Finanzminister Schleußer. Dies entspricht vom Volumen der Senkung des Solidarzuschlag, die die Regierung im kommenden Jahr plant.

Entgegen den Vorstellungen der Koalition will die SPD die Besteuerung von investierenden Unternehmen nicht erhöhen. „Wir wollen die Wirtschaft in keiner Weise benachteiligen“, sagte Lafontaine. Investierende Unternehmen sollen sogar belohnt werden. So soll der Steuersatz für reinvestierte Gewinne von 47 auf 35 Prozent gesenkt werden.

CDU/CSU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble sagte in einer ersten Reaktion, das SPD-Konzept genüge den Anforderungen nicht. Die Bereitschaft der Opposition zur Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer sei aber positiv. Schäuble stellte außerparlamentarische Verhandlungen mit der SPD in Aussicht. Wenn der Vorschlag der SPD ernst gemeint sei, im Januar 1998 mit der Steuerreform zu beginnen, „dann müssen wir noch in dieser Woche ernsthaft anfangen zu reden“. Er bezeichnete dies als „indirekte Einladung“.

CDU-Generalsekretär Peter Hintze schürte dagegen das Feuer. „In der SPD- Steuerpolitik herrscht die totale Konfusion“, teilte er in einer Presseerklärung mit. Eine Stunde später mußte er einräumen: „Ich habe das Konzept der SPD noch gar nicht gelesen.“ Markus Franz

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