Professionelle Kindereien

■ „Geheimnisse der Pharaonen“im Museum für Kunst und Gewerbe erzählt vor allem vom Erfolgsgeheimnis der Legosteine

Nie war das Interesse an einer Ausstellung in Hamburg größer als 1981, als in nur zwei Monaten 622 662 BesucherInnen zum Museum für Kunst und Gewerbe pilgerten, um die Grabschätze des Tutanchamun zu bestaunen. Die vergangenen Donnerstag am selben Ort eröffnete Ausstellung Geheimnisse der Pharaonen kann trotz vergleichbarer Thematik kaum mit einem solchen Andrang rechnen, wie die Totenmaske des Pharao 16 Jahre zuvor. Die unterschied sich nämlich in einem wesentlichen Punkt von dem aktuell Ausgestellten: Sie war nicht aus Plastik. Das jetzt Gezeigte schon, besteht es doch aus etwa einer Million Lego-Steinen, in fast 3000 Stunden zu authentischen Reliefs, Figuren und Szenarien des alten Ägypten geformt.

Lego ist seit 1949 der Inbegriff heimischen Spieltriebes. Der Plastikstein beflügelt noch heute die Fantasie unzähliger Kinder. Obwohl das Repertoire nur noch in Potenzen mit dem vergangener Tage vergleichbar ist und die Objekte mittlerweile, wie bei der jetzigen Ausstellung, zum Teil am Computer entworfen und von hauseigenen Ingenieuren zusammengesetzt werden. Wie sich die Zeiten ändern.

Und der Maßstab. Heute beschäftigen sich nicht nur Kinder mit den achtnoppigen Ökoekeln aus Erdöl; architektonische Wettbewerbe oder Ausstellungen geschichtlicher, künstlerischer oder sonstwie kreativer Arbeiten in Lego zeugen vom Marsch des Spielzeugs in die Erwachsenenwelt. Die Pharaonenausstellung sprengt erneut Dimensionen: Erstmals wagt eine Lego-Kreation den Schritt von Empfangshallen in ein Museum. Bereits im Ägyptischen Museum zu Berlin, wo die Ausstellung vor Hamburg zu sehen war, erwies sich die Bastelkunst als Publikumsmagnet.

Frei nach dem Motto, alles sei mit den bunten Steinchen möglich, scheinen die Grenzen zum Olymp künstlerischer Seriösität offen. Frei nach dem selben Motto sind sie aber auch offen zu den Abgründen der Geschmacklosigkeit. So besorgte sich der polnische Künstler Zbigniew Libera bei der dänischen Firmenzentrale Material und entwarf eine Spielvariante von Auschwitz: Krematorien, Baracken, Prügel- und Folterszenen, verpackt in limitierten Original-Legokartons, versehen mit entsprechender Bauanleitung und schrieb zu allem Überfluß „sponsored by lego“drauf.

Das war dann doch zu viel des Guten, meint Peter Leutner: „Wir wußten nichts davon“, beteuert der Trade Marketing Chef angewidert, „und das Perverse ist, daß er es tatsächlich als Spiel darstellt.“

Im Washingtoner Holocaust Memorial Museum steht bereits eine von Lego gebilligte Miniaturversion von Auschwitz. Mit der Version Liberas hat die Werbung mit dem Spiel ohne Grenzen ihre geschmackliche Grenze erreicht und hofft auf fehlende Aufmerksamkeit – in diesem Fall. Jan Freitag

bis 13. Juli, Di-So, 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr, Museum für Kunst und Gewerbe