"Liebe taz..." Für Entgleisung entschuldigen - betr.: "Weser Report privat", taz vom 27.5.1997

Betrifft: Offener Brief an Ronald K. Famulla, Chefredakteur Weser Report, taz vom 27.5.1997

Ihr WR-Zwischenruf vom 25. Mai 1997 gehört zu den übelsten Diffamierungen, die mir im Rahmen der Auseinandersetzung um die Wehrmachtsausstellung bislang über den Weg gelaufen sind. Mag sein, daß Sie, wenn Sie ins „Pornokino“gehen und – wie Sie sich ausdrücken – an „intimen Geschlechtshandlungen“teilhaben, „Lust“dabei verspüren – viele Frauen, und auch viele Männer tun das nicht. Auch in Bremen werden viele Fraune und Männer die Wehrmachtsausstellung besuchen, nicht weil es mit irgend einem Spaß oder Vergnügen zu tun hat, sondern weil sie – im Unterschied zu Ihnen – den Mut haben, der Realität und Wahrheit ins Auge zu blicken, und weil sie sehen wollen, was dran ist an der Legende von der Wehrmacht, die unbefleckt durch die Zeiten marschiert sein soll. Sie aber, Herr Famulla, laufen davon, schlagen sich in die Büsche, um mit Dreck zu schmeißen – auf jene, die sich dem Dreck aussetzen, vor dem Sie wegrennen. Ich klage Sie an, das geistige Klima in unserer Stadt zu vergiften. Indem Sie die Ausstellungsbesucher in die Nähe von „Voyeuren“und „Gaffern“rücken, unterstellen Sie ihnen minderwertige Motive. Ich fordere Sie auf, Ihre volksverhetzenden „Gaffer“- und „Voyerismus“-Vergleiche öffentlich zurückzunehmen und sich für Ihre Entgleisungen zu entschuldigen.

Helmut Donat, Verleger und Publizist