Mendini-Nasen und Leonardo-Träume

■ Im Parkhotel ließen sich EinzelhändlerInnen für Glas, Porzellan und Keramik (neue) Verkaufsideen auftischen

„Die meisten in der Branche sind doch eher Holzköpfe“, meinte eine Fachfrau ganz nebenbei und im Vertrauen. Holzköpfe mit Humor.

Auf hanseatisch getrimmt tagen derzeit die EinzelhändlerInnen des GPK-(Glas, Porzellan, Keramik)-Berufsverbands im Bremer Parkhotel, Devise ist „Klar Schiff – GPK in schwerer See!“Die „Sorgenkinder“Porzellan- und Keramikgeschirr haben den Geschäften im letzten Jahr fünf Prozent Umsatzeinbußen eingebracht. Also lud der Tagungsveranstalter, der Verlag „Das Hausgerät GmbH“, gestern „Vier (erfolgreiche) Händler – viele Ideen“sowie „Vier (erfolgreiche) Hersteller – viele Ideen“aufs Podium – Da wurde viel gelacht. Aus Sicht der ExpertInnen verkauft sich GPK an uns KonsumentInnen nämlich (auszugsweise) aus folgenden Gründen:

Was die Leute bei Biolek sehen, wollen sie haben. Dieser Leitsatz stammt von Hans Hoffmann/ Der Hobbykoch-Laden, Köln. Ein Zwei-Generationen-Familienunternehmen, Hans Hoffmann ist das Urgewächs. Hobbykoch Biolek schenkte er jüngst eine Knoblauchpresse von Zyllis – tags darauf gingen bei ihm 60 Zyllis-Pressen über den Ladentisch. Markante Parolen richtete der Hobby-Koch-Chef ('96 machte er in seinem 120-qm-Geschäft 2,5 Mio. Umsatz) an die KollegInnen, etwa „Verkaufen muß Spaß machen!“Er selbst sitze dazu auf einem Barhocker in seinem „Espresso-Paradies“und berate potentielle Espressomaschinen-KäuferInnen mindestens eine Stunde lang. Das Ergebnis: 90 Prozent Trefferquote.

Nichts soll die Kunden von der Ware ablenken. Dies schlägt sich bei „The Conran Shop“/ Hamburg in der Anweisung an die MitarbeiterInnen nieder, keine orange, keine limonengrüne, keine zitronengelbe Kleidung zu tragen, große Blumen oder Streifen auf dem Blazer zu vermeiden. Geschäftsführerin Gesa Friedrichs referierte, hier sei man als erster deutscher Ableger dem „Britischen“der Conran-Shops (Sir Terrence Conran ist außerdem Gründer der Ladenkette „Habitat“) in gewisser Weise verpflichtet. Im GPK-Bereich riet Gesa Friedrichs zu „Tischinszenierungen“.

Das Konsumverhalten ist emotionaler geworden. Eine Erkenntnis von „Karstadt-Living“, im Herbst letzten Jahres in Darmstadt eröffnet. Dort werden mittlerweile „thematisierbare Gefühlswelten“mit Ware unterlegt. Zur Auswahl stehen Body & Soul, Kochen & Genießen, Office & Fun, Future & Technology, Romantik & Nacht, Design & Kult. Body & Soul wird dann der Badbereich zugeordnet, alles Weitere schenken wir uns.

Emotionalität scheint auch die GPK-HerstellerInnen ergriffen zu haben. Jedenfalls sprach Bernd Horenkamp von „Leonardo“– zwei weiße Wolken auf blauem Grund – viel von menschlichen Sehnsüchten, als er das Leonardo-Space-Video vorführte. „Wir mußten zwei Jahre auf die Akzeptanz von Blau warten.“Seit '81 verkaufen wir nicht mehr Glas, sondern Träume – so Horenkamps Erfolgsrezept für „die mit Abstand bekannteste Marke in Deutschland“.

Falco Becker von „Alessi“begnügte sich mit dem Hinweis auf eine „glaubwürdige Position in der Welt des Designs“der Fabrik am Lago Maggiore. Der Marketing-chef benutzte lieber die Schlagworte Poesie – Design-Forschungslabor – Tafelarchitektur – family follows fiction als Maxime. Becker reihte all die Design-Nasen von Alessandro Mendini bis Philippe Starck aneinander und zeigte Dias mit Alessis „Piepmatz-Kannen“und Wasserkessel mit Doppelpfeife. Etwas Name-Dropping reichte ihm völlig aus.

Dagegen trat Erhard Schäfer von „Rösle“mit den fugenlosen Küchenlöffeln aus Marktoberdorf noch wie ein Werbestratege aus den Siebzigern auf und präsentierte „Megatrends in Stichworten“: Der Verbraucher ist gespalten, der Markt ein Ballon – Emanzipation führt zu neuer Aufgabenverteilung – Kochen ist das gemeinsame Hobby der Zukunft – Acht von zehn Partys finden in der Küche statt. Rösle (Ende des 19. Jhdts. gegründet) konzentrierte sich deshalb im Lauf der Jahre auf eine einzige Serie, die jedoch in ihrem Variantenreichtum auch einen Pfannengriff für Linkshänder einschließt. Eberhard Schäfer erläuterte, man erforsche die Funktion des Kochlöffels: „Er soll verrühren. Welche Anforderungen bringt dies mit sich?“

Wie absurd die GPK-Erlebnis-Verkaufswelt dann insgesamt werden kann, zeigte bei der Tagung das Beispiel „Ziegler – Wohn- und Tischkultur“in Stuttgart-Leonberg: Inhaber Heller sprach von „dekadenten Ausstellungen“und führte aus, wie Ziegler ein Vier-Tages-Hochzeits-Event in der ganzen Stadt initiierte: Man dekorierte den eigenen Laden in grün-weiß mit einer Traumwelt aus Wohnzimmer mit Kamin, Hochzeitsbett etc. und lud 6.000 Gäste aus der Kundenkartei zur Feier. „Die Leute kamen zum Polterabend und zerschlugen tatsächlich Porzellan“, so Heller. Man mietete mehrere Bräute und einen Bräutigam. Die Kirchgänge waren Leonberger Stadtgespräch. Abends tischte die Gastronomie ebenfalls in grün-weiß auf. „Das Geschäft boomte“. sip