Vorletzter Kampf am Weidedamm

■ Familie Silger schlägt sich vor Gericht mit Stadt und Gewoba / Sie wollen ihr altes Haus auch im Neubaugebiet behalten

Familie Silger kämpft den letzten Kampf um die alten Zeiten am Weidedamm – zuletzt gestern vor dem Oberverwaltungsgericht gegen die Stadt und die rechtliche Grundlage des schon recht weit gediehenen neuen Wohngebietes Weidedamm III. Denn Haus und Werkstatt des Bootsbaubetriebes am Torfkanal blockieren fünf Grundstücke und einen Rad- und Fußweg aufs Gelände. Gegen Entschädigung aufgeben und wegziehen kommt für Hans-Dieter Silger und seine Eltern nicht in Frage, da riskieren sie lieber eine Enteignungsklage. Seine Existenz hänge an dem Grundstück. Mit dem vom Entwicklungsträger GEWOBA angebotenen Geld könne er nirgendwo einen neuen Bootsbaubetrieb einrichten, sagt Silger. „Wir wollen nichts von der Stadt“, assistiert Mutter Johanna, „wir wollen nur hierbleiben“.

Sich auf den von den Planern neu zugeschnittenen Grundstücken anzusiedeln, ist für Silger ebenfalls ausgeschlossen. „Die bieten uns 800.000 Mark für unser Grundstück, und dann sollen wir 600.000 für den neuen Grund zahlen“. Mit dem Überschuß ließe sich kein neues Haus und erst recht keine Werkstatt bauen.

Für Gewoba-Sprecher Ulrich Höft hat Silger „Traumvorstellungen“, weil er für sein bisher nur „vorläufig genehmigtes“, „provisorisches“Anwesen gleich zwei Baugrundstücke mitsamt vollwertigen Neubauten als Ausgleich verlangt. Der Wert des Grundes steige durch die Erschließung von 200 auf 550 Mark. „Wir sind der Familie sehr weit entgegengekommen“, sagt Höft. „Aber irgendwann ist Schluß“. Man werde versuchen, die Silgers enteignen zu lassen.

Der jüngste juristische Hebel der Silgers ist eine Normenkontrollklage vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) gegen die Entwicklungssatzung, mit der die Stadt 1991 die rechtliche Grundlage zur schnellen Erschließung des 25 Hektar großen Weidedamm-III-Gebietes gelegt hatte. Ihre Argumente: Es habe kein besonderes Interesse der Allgemeinheit an einer schnellen Entwicklung des Weidedamms gegeben. Der 1991 vom Senat angeführte Bedarf an 16.300 Neubauwohnungen bis zum Jahr 2000 hätte auch anderswo gedeckt werden können, sagte der Anwalt Karl-Detlef Fuchs und berief sich auf Ausführungen des Ex-Bausenators Konrad Kunick (SPD) vor der Bürgerschaft. Die alten Anwohner würden zugunsten einer „Luxusbebauung“verdrängt.

Mit ihren Einwänden gegen die Entwicklungssatzung dürften die Silgers kaum durchkommen: „Übertrieben gute Möglichkeiten, die Satzung als nichtig anzusehen, sehen wir nicht“, sagte OVD-Präsident Prof. Günter Pottschmid. Das Urteil wird erst in einigen Tagen zugestellt. Pottschmidt hatte auch guten Rat für die Kläger bereit: Die Chancen auf Entschädigung seien jetzt günstiger als wenn alle juristischen Mittel erschöpft seien. Zunächst muß das OVG noch die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplanes prüfen.

Doch die Seligers wollen hart bleiben und bis zum Bundesverwaltungsgericht gehen. „Wir sind pleite, haben keineWahl“, sagt Silger. Probleme mit dem Geld hat auch die Stadt: Statt geschätzten 86 werden jetzt 131 Millionen Mark für die Erschließung fällig: Altlastenfunde sowie höhere Grundstückspreise macht Gewoba-Mann Höft dafür verantwortlich. jof