■ Mit Direktinvestitionen auf du und du
: Schlechter Indikator

Berlin (taz) – Der Standort Deutschland sei im weltweiten Wettbewerb um Investitionen dramatisch zurückgefallen. Diese Schreckensmeldung veröffentlichte gestern das Bundeswirtschaftsministerium. Nach über 18 Milliarden Mark ausländischer Investitionen in Deutschland im Jahr 1995 seien 1996 nur noch 1,1 Milliarden Mark hereingeflossen. Dies liege unter anderem daran, daß die Firmen mit Auslandsbeteiligung 1996 für Investitionen auf eigene Gewinne zurückgreifen konnten, also gute Geschäfte in Deutschland machten. Zum Teil hätten sie sogar zuvor nach Deutschland geflossene Kredite zurückgezahlt.

Standort Deutschland in Gefahr? Der Rückgang im vergangenen Jahr relativiert sich, wenn man vergleicht, daß zwischen 1990 und 1993 im Schnitt auch nur gut vier Milliarden Mark von Ausländern in Deutschland investiert wurden.

Als Indikator für die Standortqualität seien solche Statistiken ohnehin fragwürdig, befinden Wirtschaftsexperten einhellig. Ausschlaggebend seien nämlich die Gesamtinvestitionen, also die Investitionen von In- und Ausländern zusammengenommen, erklärt Rainer Maurer vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. Während beispielsweise in Großbritannien die ausländischen Direktinvestitionen wesentlich höher seien als in Deutschland, seien hingegen hierzulande die Pro-Kopf- Investitionen um ein Drittel höher als auf der Insel.

Warum ausländische Investoren Großbritannien den Vorzug geben, liege neben günstigen Lohnkosten und Steuern auch an der Struktur der Kapitalmärkte: Bei uns dominieren Hausbanken die Unternehmensbeteiligungen, während an der Londoner Börse Anteile an britischen Firmen sehr leicht erworben werden können. Wie viele der Investitionen reine Portfolioinvestitionen sind, also zum Beispiel Aktienerwerb zu Spekulationszwecken, und wie viele tatsächlich neue Kapazitäten schaffen, darüber liegen keine Angaben vor.

Die Bundesbank hat in ihrem neuesten Monatsbericht weitere Gründe aufgeführt, warum die Investitionsstatistik nur bedingte Aussagekraft hat. Je nach Erhebungsmethode kommen die Statistiker zu höchst unterschiedlichen Zahlen. So zählt die konservative deutsche Zahlungsbilanzstatistik im Zeitraum 1984 bis 1994 insgesamt 34,6 Milliarden Mark, die Ausländer hier investiert hätten. Legt man die Zahlungsbilanzen von 18 OECD-Staaten zugrunde, kommt man hingegen auf 137,2 Milliarden Mark, immerhin das Vierfache. Nicola Liebert