Gebrauchte Gewehre aus dem fernen Deutschland

■ Abrüstung? Ausrangierte Waffen werden nicht entsorgt, sondern verscherbelt

Bonn (taz) – Weltweit wird insgesamt weiter abgerüstet, wenn auch langsamer als unmittelbar nach dem Ende des Kalten Krieges. Eine gefährliche Begleiterscheinung der Abrüstung aber nimmt immer bedrohlichere Formen an: Überschüssige Waffen überschwemmen den Weltmarkt. Sie landen häufig in Konfliktregionen und haben in bestimmten Gebieten, etwa in der Ägäis und dem Nahen Osten, den regionalen Rüstungswettlauf angeheizt. Welche Größenordnung dieses Problem erreicht, zeigte sich bereits 1994: Damals wurden erstmals international mehr gebrauchte als neue Waffen gehandelt.

Auf diesen Trend hat gestern in Bonn das International Center for Conversion (BICC) bei der Vorstellung seines zweiten Jahrbuches hingewiesen. Die Wissenschaftler des vom Land Nordrhein-Westfalen geförderten gemeinnützigen Zentrums warnen davor, den Waffenüberschuß als ein bald überwundenes Übergangsproblem anzusehen. Vielmehr werde die Menge auch künftig weiter zunehmen. Effektive Strategien zur Verschrottung seien dringend erforderlich. Die Entsorgung von Waffenüberschüssen müsse fester Bestandteil von Abrüstungs-und Friedensverträgen werden. Die traditionelle Lieferstruktur für Militärgüter hat sich durch das Angebot überschüssiger Waffen dem BICC zufolge verändert. Heute bieten mehr Länder Waffen an, und die Importeure haben oft die Wahl zwischen verschiedenen Ländern. Im neuen BICC-Jahrbuch wird neben anderen Staaten auch Deutschland als ein Hauptlieferant von überschüssigen Waffen genannt. Im weltweiten Umlauf sind sowohl gebrauchte schwere militärische Geräte wie Panzer und Raketen als auch einfache Waffen wie Gewehre, Granaten und Minen. Sie sind leicht zu bekommen und relativ billig. Daher stellen sie eine besondere Gefahr in lokal begrenzten Konflikten und Bürgerkriegen dar.

Insgesamt untersuchte das BICC die Entwicklung in 156 Staaten. 86 von ihnen haben 1995 ihre Militärausgaben verringert – 60 haben aufgerüstet. Darunter finden sich auch einige ostasiatische Länder, die im Zuge ihres wirtschaftlichen Booms aufrüsteten. Bettina Gaus