„Altersarmut darf es nicht geben“

■ Interview mit Ursula Engelen-Kefer vom DGB zur Rentenreform

taz: Heute sind Sie zum Rentengipfel bei Norbert Blüm geladen. Gibt es Einigungschancen?

Ursula Engelen-Kefer: Zunächst wollen wir den Bewegungsspielraum bei Bundesregierung und Arbeitgebern ausloten. In einem ersten Vorgespräch von DGB und DAG mit Norbert Blüm hatten die Gewerkschaften deutlich gemacht, daß Verhandlungen sinnlos sind, wenn die Bundesregierung auf der geplanten Absenkung des Rentenniveaus und der drastischen Verschlechterung der Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsrenten beharrt. Diese beiden Knackpunkte können wir nicht mittragen. Und der Bundesarbeitsminister hat uns versichert, daß er in beiden Punkten zu Bewegungen bereit ist.

Beim Rentenniveau hat DGB- Chef Dieter Schulte Kompromißbereitschaft signalisiert. Es heißt, eine Absenkung sei für den DGB kein Tabu mehr.

Was Sie hier unterstellen, ist nicht unsere Position. Mit einer solchen Aussage zum Rentenniveau gehe ich nicht in Verhandlungen hinein. Wir haben ein ganzes Paket von Einzelforderungen an den Bundesarbeitsminister: Wir wollen die Zahl der Beitragszahler um geringfügig Beschäftigte und Scheinselbständige erhöht sehen, wir wollen eine eigenständige Alterssicherung für Frauen und etwa auch eine steuerfinanzierte Mindestsicherung im Alter. Die Veränderung der Erwerbsbiographien darf nicht zur Altersarmut führen.

Die SPD ist bei diesen Rentenkonsensgesprächen nicht dabei.

Dies sind Gespräche über das Rentenkonzept der Bundesregierung, die ich nicht zu sehr hochstilisieren würde. Schließlich gibt es auch ein Gesetzgebungsverfahren. Entscheidend für jede weitere Verständigung bleibt für uns, daß auch die SPD einbezogen wird. Das SPD-Präsidium will nur über einen Gesetzentwurf, nur im normalen Gesetzgebungsverfahren mit der Bundesregierung über die Renten verhandeln. Wir als Gewerkschaften werden in Gesetzgebungsverfahren aber nur noch angehört. Deshalb wollen wir dem Bundesarbeitsminister jetzt schon unsere Position deutlich machen.

Sie sind auch Mitglied im SPD- Vorstand und hatten in Briefen an die Herren Lafontaine, Scharping und Dressler gebeten, sich mit an den runden Rententisch zu setzen.

Über die Haltung der SPD bin ich schon enttäuscht. Für mich wäre es fatal, wenn die gesetzliche Rentenversicherung in das Wahlkampfgetöse hineingezogen würde. Schließlich drohen der umlagefinanzierten Rentenversicherung noch von ganz anderer Seite Gefahren, etwa von Befürwortern eines Kapitaldeckungsverfahrens oder einer steuerfinanzierten Grundrente. Beide Wege bringen weit höhere Risiken als Vorteile mit sich und sind für die Gewerkschaften nicht gangbar. All diese sehr komplizierten Sachfragen eignen sich nicht für Wahlkämpfe. Daher drängten die Gewerkschaften auf eine Abklärung zwischen den großen Parteien. Aber ich sehe ein: Die Gewerkschaften sind nicht die SPD, die schließlich im Gesetzgebungsverfahren weit mehr Einflußmöglichkeiten als der DGB hat. Interview: Jürgen Voges