Papst rief deutsche Bischöfe zu sich

■ Streit um Schwangerenberatung der katholischen Kirche

Berlin (taz) – Die deutschen katholischen Bischöfe und der Vatikan streiten um die Schwangerschaftsberatung. Trotz proppevollem Terminkalender hatte der Papst ein Treffen in Rom anberaumt. Nach den gestrigen Gesprächen blieb ein Machtwort des Kirchenoberhauptes zwar noch aus, doch in den nächsten Tagen wird sich vermutlich entscheiden, ob sich die katholische Kirche in Deutschland aus dem staatlichen Beratungssystem zurückziehen muß oder ob die 258 Einrichtungen der kirchlichen Verbände Caritas und Sozialverband der katholischen Frauen wie bisher arbeiten können.

Seit dem Kompromiß im Bundestag zur Abtreibung besteht Uneinigkeit in der Kirche. Im Herbst 1995 preschte der Fuldaer Bischof Johannes Dyba – bekannt für seine ultrareaktionären Überzeugungen – vor. Beratungsscheine, die Frauen für eine straffreie Abtreibung benötigen, bezeichnete er als „Lizenz zum Töten“. Kurz darauf stieg sein Bistum eigenmächtig aus dem staatlichen System aus. Seitdem gibt es in der Enklave Dyba zwar noch Beratungen für schwangere Frauen, aber ein Nachweis darüber wird nicht mehr ausgestellt.

Johannes Dyba stieß mit seinem Vorhaben in der Bischofskonferenz nicht auf mehrheitliche Gegenliebe. Auch ihr Vorsitzender, der Mainzer Bischof Karl Lehmann, hält heute noch daran fest, bei der „Auseinandersetzung um Leben und Tod“ präsent zu bleiben. Lehmann warnte vor einer isolierten Bewertung des Beratungsscheins. Es gehe vielmehr um die Gespräche mit den Frauen. Hierzu hat die Kirche klare Richtlinien erstellt: Abtreibung verhindern und Hilfe bereitstellen.

Doch Dyba erhält gewichtige Unterstützung aus Rom. Der konservative Kardinal Joseph Ratzinger fordert für Deutschland ebenfalls den Ausstieg aus der staatlichen Beratung. Ratzinger soll einen guten Draht zum Papst haben und gilt als Gegenspieler des eher liberal angehauchten Lehmann. In Rom herrsche „großer Schmerz über die Spaltung der deutschen Bischöfe“, hieß es im Vatikan.

„Ich persönlich würde es als eine Demütigung empfinden“, kommentierte Dorothee Hülsmann vom Hamburger Caritas- Verband einen drohenden Ausstieg aus der staatlichen Beratung. Nach eigener Einschätzung werden rund zehn Prozent der bundesweiten Beratungsgespräche von den katholischen Einrichtungen durchgeführt. Diese bekommen dafür Geld vom Staat. Doch auch wenn ein päpstliches Verbot erlassen würde, ein Hintertürchen bliebe offen. So deutete der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Rudolpf Hammerschmidt, an, daß sich einige Diözesen diesem Votum aus Gewissensgründen nicht beugen würden. Prompt erntete er Kritik aus Kirchenkreisen, denn Hammerschmidt drohe ein „Schisma“, eine Kirchenspaltung an. Annette Kanis