Neue GEW-Chefin

■ Lehrer wollten dem alten GEW-Chef lediglich einen „Denkzettel“ verpassen

Erfurt/Berlin (taz) – Ihr Unmut war diffus. Ihre Gewerkschaftsspitze, so meinten gestern viele Delegierte der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), sei zu sehr auf neoliberale Positionen eingeschwenkt. Namentlich ihr Vorsitzender Dieter Wunder. Und nach einer heftigen Debatte am Vormittag, bei der auch die Frauen- und Jugendpolitik der GEW-Spitze gegeißelt wurde, wählten sie ihn ab. Dieter Wunder erhielt nur 227 der 491 Stimmen.

Das Ergebnis traf die Delegierten überraschend. Eigentlich hatte man dem Vormann, der die GEW 16 Jahre lang anführte, doch nur einen „Denkzettel“ verpassen wollen. Gegen Mittag eilten die einzelnen Landesvorstände zusammen und wollten retten, was nicht mehr zu kitten war. Niemand konnte Dieter Wunder überreden, sich einem zweiten Wahlgang zu stellen.

Die Suche nach einer Ersatzkandidatin verlief hektisch. Am Nachmittag trat Eva-Maria Stange (40), die sächsische GEW-Vorsitzende, als einzige Kandidatin an. Sie ist die erste Ostdeutsche an der Spitze einer DGB-Gewerkschaft.

„Die Abwahl von Dieter Wunder war keine rationale Entscheidung“, kommentierte Steffen Welzel, Pressesprecher der GEW. „Die Delegierten haben eher das Gefühl, daß die Gewerkschaftsspitze sich zu sehr mit den gegebenen politischen Verhältnissen abfindet.“ Es habe die Vision einer fundamentalen Opposition gefehlt. Dafür war Dieter Wunder nicht zu haben. Erst kürzlich hatte er in einem Zeitungsinterview die Arbeitszeitverkürzungen von Ostlehrern ohne Lohnausgleich verteidigt und es für möglich gehalten, solches auch auf den Westen zu übertragen. Den Unmut der Basis mag Wunder auch mit einer Bemerkung bezüglich der Bildungsreformen auf sich gezogen haben. Über solche Themen redet kaum noch jemand in der GEW. Wunder hatte dazu gesagt, die GEW werbe für vernünftige Arbeitsbedinungen, mit der „Initiative Bildung sind wir nicht so weit gekommen, wie wir wollten“. roga